Korrespondenzen

die Chronik des Naheliegenden fortsetzen

& ästhetische Bewertungskriterien auf

den Prüfstand stellen…

Eindrucksformen:

eine befreite Melodie

auszerhalb des Notenblatts skizzieren

zu einem Pathetiker werden

& das Netz aus Assoziationsknoten auskomponieren…

performativer Akt der Selbstermächtigung =

ins Ariose sich weitende Rezitative…

\ sich in die hohe Kunst des Loslassens einüben… \

Kontinuitätsstränge:

sich mit dem Leben

& seinem Schatten verbinden

alles bleibt auf

dem Tummelplatz der Töne in

der Schwebe

Tonpartikel bekommen das Gehör

nicht zu fassen

was bleibt =

die unfassbare Sehnsucht nach

einer auskomponierten Stille

einer zeitgenössische Form

des beredten Beschweigens…

im Spannungsfeld von Raum

& Gedächtnis den Raum

für Unerzähltes schaffen

der geschärfte Blick =

die natürliche Welterfahrungsmethode

in den kleinsten Beobachtungen zeigt sich

oft die gröszte Beklemmung

die Überbleibsel der alten Herkunftswelt

sind von Auszehrung bedroht

& benötigen kaum mehr

eine mythographische Leistung…

wenn man der Zwangsbelastung entgeht…

& somit die eigentliche Freiheit erlangt…

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Wiederbelebungsmasznahme, ein Langstreckenpoem von A.J. Weigoni

In 2024 stellt die Edition Das Labor ein nachgelassenes Poem von A.J. Weigoni in 366 Strophen vor. Es ist „ein freies Flieszen“ assoziierter Bildgefüge, eine Durchquerung entlegenster Wortfelder. Auf der Suche nach einer widerständigen Sprachlogik, dem letztlich unauslotbaren Geheimnis der Sprache. Ein entschlossenes Nomadisieren zwischen Flüstern und lautem Schweigen. Aus Wort- und Bedeutungsverschiebungen entwickelt sich ein eigener Sprachkosmos. Diese consolatio poesiae hat keinen Ort, sie wird für eine Weile im Datennirvana existieren und irgendwann ganz verschwinden. Reine Poesie überwindet die Grenzen des Darstellbaren, alle Wege führen ins Nichts.

Flankiert wird das Langstreckenpoem durch künstlerische Arbeiten von Haimo Hieronymus. In seinen Rotationen gibt es Zeichnungen von Feldern aus konzentrischen Ringen, die sich bedrängen und verformen. Es ist ein Prozess, der von Weiterungen und Abweichungen bestimmt ist. Es ist ein Beobachten und Skizzieren, der Versuch von der Konstruktion weg und auf das Wesentliche dahinter zu kommen. Manchmal erfassen dicke Striche das Papier, als seien unterschiedlich rotierende expansive Kräfte am Werk, die nach aussen drücken und an die Ränder verschieben. Das Branding von Haimo Hieronymus ist, keines zu haben. Sein verästeltes Lebenswerk entwickelte sich über die Jahrzehnte hinweg zu einer partizipativen, sozialen Plastik.

Weiterführend → Verbunden waren sich die Artisten durch ihre Arbeit an Künstlerbüchern. Vertiefend dazu das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Jeder Band aus dem Schuber von A.J. Weigoni ist ein Sammlerobjekt. Und jedes Titelbild von Haimo Hieronymus ein Kunstwerk. KUNO fasst die Stimmen zu dieser verlegerischen Großtat zusammen. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt. Zuletzt bei KUNO, eine Polemik von A.J. Weigoni über den Sinn einer Lesung.