Die singende Herrentorte

 

Helge Schneider ist wahrscheinlich der bislang einzige Solo-Künstler, der gleich mit seiner ersten Platte den Titel Seine größten Erfolge gab. Begleitet wurde er bei den Aufnahmen durch Tonmeister Tom Täger im Tonstudio an der Ruhr.

Lustig, Lustig popustich!

Vorläufer dieser Erfolge waren Schneiders Hörspiele, die er von 1979 bis 1984 im Keller von Haym Hüttner auf einem Achtspurgerät aufgenommenen. Diese frühen Arbeiten sind von Schneider allein gesprochenen worden, es sind atmosphärische Momentaufnahmen, die zum Teil autobiografisch aus dem Alltag des Ruhrgebiets schöpfen und diesen persiflieren. Laut Schneider entstand ein Großteil der Dialoge und Charaktere aus auf der Straße aufgeschnappten Satzfetzen und Gesprächen am Nebentisch, die bei nächtlichen Aufnahmen zu improvisierten Sprachexperimenten verbunden wurden. Die einzelnen Stimmen wurden stets nacheinander aufgenommen, teilweise verfremdet und schließlich zusammengeführt. Durch dieses einfache technische Verfahren entsteht der Eindruck, man würde mehrere Charaktere gleichzeitig hören, teilweise bis zu fünf, die sich im Gespräch befinden. Bedingt durch die zeitversetzte Aufnahme können sich die „Sprecher“ allerdings nicht gegenseitig hören und fallen sich mitunter ins Wort oder reden aneinander vorbei. Dieser Effekt ist beabsichtigt und gibt den Hörspielen eine latent kommunikationskritische Färbung. Höhepunkt ist dieser Arbeit sicher das im Tonstudio an der Ruhr aufgenommene Weihnachten bei Van Den Bergs.

Dschäzzz

Hier wie dort ist die Grundlage von Schneiders Selbstausdruck die Improvisation, die bei ihm zum künstlerischen Selbstausdruck und zur Lebenseinstellung geworden ist und die er nach den Grundlagen des Jazz in alle Bereiche der Kunst überträgt. Schneider gehört zu der Künstlerkatgeorie der Genialen Dilettanten, der verqueren Humoristen, der Subkultur–Propheten. Davon zeugen auch seine Ausflüge in die Filmwelt. Anfangs begleitet durch das Combo Hardcore, bestehend aus Buddy Casino (Klavier und Farfisa-Orgel) und Peter Thoms am Schlagzeug. Die Texte seiner Lieder sowie der Inhalt seiner Erzählungen sind nur in einem Grundgerüst angelegt und werden bei jedem Auftritt frei variiert und weiterentwickelt. Er ist beeinflusst von Künstlern wie Thelonious Monk, Louis Armstrong und Duke Ellington und ist Interpret von Jazzstandards, wie Fly me to the Moon.

Sinn im Unsinn

In einem Gespräch mit Täger bezeichnete sich Schneider als eine „singende Herrentorte“, der „Sinn im Unsinn“ findet, das Cover seines ersten Album wurde einer Plattenhülle von Rex Gildo nachgestellt. Erwartungen des Publikums werden von ihm konsequent nicht bedient. Dieser Artist bewegt sich hemmungslos zwischen Hoch- und Subkultur, zwischen Kindersprache und Literatur, verbindet Alltag und Albernheiten mit einem breiten kulturellen Hintergrund und verliert sich in ausufernden Erzählungen, die der den Menschen zuerst bei Eduscho, dann in der Eiscafé Agnoli am Kugelbrunnen in Bad Mülheim abgelauscht hat.

 

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Seine größten Erfolge, das erste Album von Helge Schneider, aufgenommen von Tom Täger im Tonstudio an der Ruhr.

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In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Es sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso eindrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten.