Industrial-Punk

Eine gelungene Mischung aus Industrial, Pop und Punk.

Steve Martin

Cleveland, Ohio ist ein heruntergerocktes Industrierevier, nicht weniger als die Abbildung eines Kapitalismus, der die Recourcen derart ausgeplündert hat, dass durch die weitgehend unkontrollierte Einleitung von Abwässern der Cuyahoga River eine Kloake war. Öl, brennbare Chemieabfälle, Tierabfälle von Schlachtereien und sonstige Abfälle gelangten ungeklärt hinein. Dieses brennbare Gebräu schwamm auf der Oberfläche, sodass der Fluss gelegentlich selbst brennen konnte. Vor hier stammen nicht nur Pere Ubu, sondern auch die Nine Inch Nails. Es ist ein Musikprojekt von Trent Reznor, das ausschließlich der Realisierung seiner musikalischen Ideen dient. Im Studio sind weitere Musiker und Tontechniker lediglich als Assistenten gefragt, da Reznor die meisten Instrumente selbst einspielt. Auf Konzertbühnen unterstützen ihn weitere Musiker, wodurch Nine Inch Nails nur in der Live-Umgebung als Band angesehen werden kann. Musikalisch bewegt sich die Combo zwischen Punk und elektronischer Musik. Mit Hilfe eines Labels hätte Reznor eine beliebige Anzahl von Sessionmusikern zu den Aufnahmen holen können. Aber das tat er nicht. Nach der auf dem Band vorgegebenen Formel nahm Reznor die meisten Instrumente selbst auf.

Wie schon zuvor Mike Oldfield oder Prince spielt Reznor das Album allein ein und produzierte es zwischen Mai und Juni 1989 mit Synthezizern, Drumcomputern und Samplern. Die Songtexte gehen, wie bei späteren Songs von Nine Inch Nails, auf Gedichte von ihm zurück.

Für die Musikprogrammierung und das Editing verwendete Reznor einen Macintosh Plus. Dies erklärt das schroffe, metallische, eiskalte Pretty Hate Machine der Nine Inch Nails vertonte das letzte Beben des Kalten Krieges, erfand dadurch mehr oder weniger zufällig den Industrial Rock. Aus dem Album Pretty Hate Machine wurden die drei Singles Head like a Hole, Down in It und Sin ausgekoppelt. Wie bei Swordfishtrombone von Tom Waits spiele die Clipversendestelle MTV eine große Rolle als Verteiler, sie spielten Head like a Hole häufig, was den Bekanntheitsgrad der Band erhöhte.

Head Like a Hole ist stilistisch dem Industrial Rock und Synthie-Pop zuzuordnen, zu diesem Song wurde ein Video unter der Regie von Eric Zimmermann produziert. Auf MTV wurde er häufig gespielt, was den Bekanntheitsgrad der Band erheblich erhöhte. Der Song ist neben Kinda I Want to und Thats What I Get der beliebteste Song auf dem Album. Something I Can Never Have ist stilistisch dem Alternative Rock zuzuordnen. Im Laufe des Songs hört man diverse Hintergrundgeräusche, z. B. eine Tür, die geöffnet wird, Maschinengeräusche, Vogelgezwitscher. Untermalt wird diese melancholische Atmosphäre durch die leise Musik des Klaviers. Auch Kinda I Want to ist dem Industrial Rock zuzuordnen. Reznor sagte, er habe den Song parallel im Studio komponiert. Im Laufe des Songs hört man ein Reprise von Down in It. Am Ende ist ein Schrei zu hören, welcher zum nächsten Track überleitet.

Dieses Album ist ein vollwertiges, gefühlsbetontes Erlebnis, von den hart stampfenden Dance-Beats über den Schlag in die Magengrube ihrer Texte bis hin zum kunstvollen Schock. „Pretty Hate Machine“ öffnet den Blick in ein tiefes Loch aus seiner Frustration und Einsamkeit, die Lo-Fi-Ästhetik verstärkte die Klaustrophobie und Paranoia der Songs. Reznor entwickelte eine kreative Persönlichkeit – die Stimme, mit der er auf Downward Spiral singt, ist übertrieben und poetisch, aber die Kadenz auf diesem Album ist ganz seine eigene, gerade wegen ihrer Hässlichkeit. So oft lassen Musiker ihre schlechteste Seite hinter sich. Auf seinem Debüt legte Reznor all das offen, was ihn auf dem Weg beim Übergang vom Manufacturing Belt zum Rust Belt umgeben hat.

„Pretty Hate Machine“  ist besser gealtert als fast jede Industrial-Platte seiner Zeit. Reznor mochte die Pop-Refrains seines Debüts weniger, aber sie sind die Nägel, die das Ganze zusammenhalten und den Zuhörern einen einfachen Überblick über das Geschehen geben, sodass mehr Experimente an den Rändern möglich waren. Die kreative Wut wirkt nach.

 

 

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Pretty Hate Machine, von Nine Inch Nails, 1989

Weiterführend  Wir verorten auf KUNO die erste Punk-LP mit dem Bananenalbum. Oder war es doch eher der Garagenrock? – Lässt sich davon der verschwitzte Proto-Punk der New Yorker Proll-Combo ableiten? Oder hatte der testosterongesteuerte Punk gar eine Ur-Mutter? – Der Titeltrack des Albums ist der mit Abstand spektakulärste und zeitloseste Titel des Albums. Bis heute ist Blank Generation der Song, der wohl größer ist, als die Band, die ihn produziert hat. Dies ist das beste Album, das die Buzzcocks nie gemacht haben. Kaum ein Song beschreibt den beginnenden britischen Punk besser als „Oh Bondage Up Yours!“. Es ist ein Zeichen von Chuzpe, wenn sich eine von Männern dominierte Szene, eine Combo von Frauen The Slits nennt. Waren die Pistols die erste Boy-Group? Johnny Rotten predigte Anarchie, The Pop Group praktizierte sie. PiL has his future in a British Steel. Klingt die Trostlosigkeit des Rust Belt nach Punk oder Industrial Folk? Gegen Fresh Fruit for Rotting Vegetables hört sich alles andere wie Pop an. Zu Monarchie und Alltag gibt es einen Bericht zur Lage der Detonation. – Weitere ungelöste Fragen: Stellen die The Ruts mit einem Album das Lebenswerk von The Clash in den Schatten? Wann hört der Substance von Punk auf? Wann beginnt der Post-Punk? Ist das bereits New Wave? Oder stellt Polyrythmik den Höhepunkt dar? Eine Würdigung der südafrikanischen Tekkno-Punks Die Antwoord. Thrash Metal ist das Resulthat der Verschmelzung der Energie und Geschwindigkeit des Hardcore Punk mit den Techniken der New Wave of British Heavy Metal. Die Alben von Wire stellen in beeindruckender Weise dar, was aus Punk hätte werden können.