„Bravo, junger Freund!“ rief Torberg, der einige Reihen vor mir saß ganz laut, drehte sich um und nickte mir mit einem freundlichen Lächeln zustimmend zu. Das war in Fresach, bei einer der internationalen Schriftstellertagungen, in den Siebzigerjahren. Soeben hatte die deutsche Schriftstellerin Angelika Mechtel aus der BRD, wohnhaft in München und mit dem Verleger Wolfhart Eilers („Der Viergroschenbogen“) liiert, sich bei ihrem Vortrag immer mehr erregend vom „Konsumterror“ gesprochen und somit ein damaliges Schlagwort als Ausdruck einer modischen Zeitgeisthaltung, einer absoluten Platitüde, verwendet. Und gemeint, man solle doch alle Radios, Kühlschränke, Waschmaschinen etc. aus den Fenstern werfen und zum früheren Leben zurückkehren. Ich machte darauf den Zwischenruf: „Das ist doch absoluter Blödsinn, Sie können das Radio doch einfach abdrehen! Und niemand zwingt Sie, irgend etwas zu kaufen. Das Wort ‚Terror’ in diesem Zusammenhang zu verwenden, ist Schwachsinn; da reden wir doch lieber vom Terror in Staatsdiktaturen jedweder Ideologie! Sie müssen ja nichts kaufen. Wenn aber jemand von der Staatspolizei oder vom KGB um drei Uhr nachts abgeholt und ins Gefängnis geworfen wird, dann ist das Terror; dafür ist das Wort zu verwenden, aber doch nicht im Zusammenhang mit Konsum! Sie müssen nichts kaufen, nichts konsumieren, niemand zwingt Sie dazu!“ Das war wieder einmal einer meiner „Auftritte“ in Fresach, wofür ich so bekannt und „beliebt“ war. Der Torberg war also meiner Meinung und hatte dies durch seine Replik auf meinen Zwischenruf bestätigt. Und dabei hatte er noch in die Hände geklatscht. Wer ich denn sei, wie ich hieße und was ich denn so schreibe, fragte er mich nach dieser Vormittagssitzung und dem Zwischenfall, als wir noch für eine kurze Zeit vor dem Mittagessen hinaus auf die Wiese und die Terrasse gingen. Ich sagte ihm meinen Namen und daß ich Gedichte schriebe und ein Mühlviertler aus dem Böhmerwaldgebiet sei. Er meinte, den Namen habe er schon einmal gehört. Höflichkeit oder Wirklichkeit, egal. „Ich kann dieses Gewäsch nicht mehr hören und dieses blöde Getue nicht mehr ertragen“, sagte der Torberg zu mir. „Das ist doch absolut lächerlich. Und Sie hatten ganz recht mit ihrem Zwischenruf; und dafür sind, auch wenn es gegen die Etikette verstößt, Zwischenrufe auch da“, sagte er. Ich freute mich über seine Anerkennung. Ich wußte natürlich damals schon, wer „der Torberg“ war. Seine Bestätigung und seine Übereinstimmung mit mir freuten mich jedenfalls und bestätigten mich in meiner Haltung, weiterhin so zu sein, wie ich eben war und bin. Wenn immer es nötig ist, sich einzumischen, weil die Wahrheit im entscheidenden Fall über der Höflichkeit steht, so tue ich das. Eben deshalb, weil der Schriftsteller der Wahrheit verpflichtet ist und keinem modischen Zeitgeist, der sowieso oft nur absoluter Schwachsinn ist und sonst nichts.
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Schriftstellerbegegnungen 1960-2010 von Peter Paul Wiplinger, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010