Ich glaube, der Gelehrte (und mit ihm die Mehrzahl der Menschen) irrt mit der Annahme, daß wir einem eindrucksvollen Naturphaenomen unsere Aufmerksamkeit in der Art zuwenden, als wäre es etwas von uns ganz Unabhängiges, und nicht so, wie es mit uns in Beziehung steht. Die Hauptsache ist gerade, wie es auf mich wirkt. Der Gelehrte meint, ich habe an einem Regenbogen nichts anderes zu sehen, als was mir seine Definition darüber gibt. Mir ist es aber ganz gleichgiltig, ob die Erscheinung, die ich sehe, ein wacher Gedanke ist oder die Erinnerung an einen Traum, ob sie sich auf hellem oder auf dunklem Grunde abhebt. Das Subjekt der Erscheinung, ihre Wahrheit allein ist’s, was mich angeht. Der Philosoph, für den der Regenbogen wegerklärt werden kann, hat ihn nie gesehen.
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Henry David Thoreau gilt als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Eine Einführung in Leben und Werk von Gerhard Gutherz findet sich hier. Als sorgfältig feilender Stilist, als hervorragender Sprachkünstler hat er durch die für ihn charakteristische Essayform auf Generationen von Schriftstellern anregend gewirkt. Wir begreifen die Gattung des Essays auf KUNO als eine Versuchsanordnung, undogmatisch, subjektiv, experimentell, ergebnisoffen.
Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.