Substance

Abzüglich des schnellen, verzerrten Punksounds klang die Musik karg und schlicht. Hooks Bass transportiert die Melodie, Sumners Gitarre lässt Lücken, statt den Mix mit dichten Riffs aufzufüllen, und das Schlagzeug von Steve Morris scheint den Rand eines Kraters nachzuzeichnen. Curtis singt von einem ‚einsamen Ort‘ im Zentrum dieser leeren Fläche aus.

Simon Reynolds

1976 gründeten Peter Hook, Bernard Sumner und Terry Mason, nach dem Besuch eines Sex-Pistols-Konzerts in Manchester 1976, eine Band, die zu Beginn noch ohne Namen blieb. Sumner ließ zur Gründung verlauten, dass für ihn die Sex Pistols den Mythos des Popstars als eine Art von anzubetendem Gott demontiert hätten. Weihnachten 1975 hatte er eine Gitarre von seinen Eltern geschenkt bekommen, und Hook bot sich als Bassist an. In ihrer ersten Besetzung probte die Band mit Mason als Sänger, der nach kurzer Zeit jedoch zur Rhythmusgitarre und dann an das Schlagzeug wechselte. Per Anzeige am schwarzen Brett des lokalen Virgin-Records-Stores suchte die Band zunächst erfolglos nach einem neuen Sänger.

Neuer und finaler Sänger der Band wurde schließlich Ian Curtis. Hook zufolge begegneten sich die Bandmitglieder und Curtis in ihrer Anfangsphase einige Male, sprachen aber nicht oder nur sehr wenig miteinander. Beim dritten Manchester-Konzert der Sex Pistols, im Dezember 1976, änderte sich jedoch der Kontakt. Sumner und Hook wurden durch das neon-orange Tag Hate auf Curtis’ Jacke auf ihn aufmerksam und eine lose Freundschaft entstand. Curtis hatte zu diesem Zeitpunkt bereits selbst eine Band gegründet und probte mit dem Schlagzeuger Martin Jackson. Peter Hook zufolge fiel die Entscheidung für Warsaw, den englischsprachigen Namen der polnischen Hauptstadt Warschau, der Band „viel einfacher als alle Namenswechsel, die noch folgen sollten.“ Die Band wählte den Namen, weil er „kalt und hart klang.“ Als Alternative hätte lediglich Berlin zur Wahl gestanden, jedoch bedingte das Stück Warszawa von David Bowies Album Low letztendlich die Entscheidung, weil alle Musiker der Band dieses Stück mochten. Die Konkurrenzband Warsaw Pact, die im November 1977 ihr Album Needle Time in Rekordzeit veröffentlicht hatte, erlangte kurzfristig ausreichend Ruhm, um ungewollt Warsaw die Möglichkeiten zu Konzertbuchungen zu nehmen. Die Bands wurden stetig verwechselt und Warsaw als potentielle Liveband eine Absage erteilt.

Der Vorschlag, die Band Joy Division zu nennen, ging von Ian Curtis aus. Curtis hatte das Buch gelesen und Auszüge daraus im Stück No Love Lost verwendet. Außerdem gab er den anderen Bandmitgliedern das Buch zur Lektüre. Als Alternative standen unter anderem Slaves of Venus und Boys in Bondage zur Wahl. Joy Division war im Buch der Name, der Gruppen jüdischer Frauen gegeben wurde, „die in Konzentrationslagern den Nazi-Soldaten sexuell zur Verfügung stehen mussten.“ (Peter Hook) Hook und Morris hoben die Identifikation mit den Opfern des Faschismus als prägend für die Namensgebung hervor.

Es waren die Unterdrückten, nicht die Unterdrücker. Was auf eine punkige, ‚No-Future‘-Art genau das war, was wir mit dem Namen ausdrücken wollten. Es war ein bisschen wie Slaves of Venus, nur nicht so scheiße.

Peter Hook

Die Compilation Substance stellt die vier von der Band veröffentlichten Singles zusammen, die nicht auf Alben erschienen – „Transmission“, „Komakino“, „Love Will Tear Us Apart“ und „Atmosphere“ – sowie die meisten ihrer B-Seiten. Es enthält auch Titel, die auf verschiedenen EPs veröffentlicht wurden, insbesondere auf der ersten Veröffentlichung der Band, An Ideal for Living, und auf zwei von Factory Records herausgegebenen Samplern, A Factory Sample und Earcom 2: Contradiction.

Zwei der Titel des Albums, „Glass“ und „Dead Souls“, waren bereits 1981 auf der Compilation „Still“ enthalten. Darüber hinaus wurde die Single „Atmosphere“ ursprünglich in Frankreich als „Licht und Blindheit“ mit „Dead Souls“ auf der B-Seite veröffentlicht; Nach dem Selbstmord von Ian Curtis wurde es als posthume B-Seite der 12-Zoll-Single „She’s Lost Control“ neu aufgelegt. Die Vinyl-Version verzichtet auf die Single „Komakino“ und enthält aufgrund der geringeren Speicherkapazität einer Schallplatte nicht die vollständigen Titel der EPs. Manchmal ist Digital eben doch besser.

 

 

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Substance ist ein Single-Compilation-Album von Joy Division. Sie wurde von Factory Records veröffentlicht.

Weiterführend  

Meine erste Schallplatte: „Heart of glass“ von Blondie, vorgestellt von Martina Haimerl. Life circles at 33rpm!, postulierte Mischa Kuball. Wer sich hinter „Mister B“ verbirgt, beschreibt Christine Kappe. Ergänzen ein Artikel zum Kassettenuntergrund. »Don Juan« von Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich, vorgestellt von Joachim Feldmann. Eine Reise ins Glück von den Lilians, vorgestellt von Ju Sophie Kerschbaumer. „This charming man“ von den Smiths vorgestellt von Haimo Hieronymus. Dschäääzz!!!, gehört von Eva Kurowski. Helge Schneider ist wahrscheinlich der bislang einzige Solo-Künstler, der gleich mit seiner ersten Platte den Titel Seine größten Erfolge gab. Begleitet wurde er bei den Aufnahmen durch Tonmeister Tom Täger im Tonstudio an der Ruhr. Meine ersten drei Platten, vorgestellt von Marcus Baltzer. Meine Musik, vorgestellt von Ulrich Bergmann. Eine Erinnerung an Mensch-Maschinen-Musik, das Gesamtkunstwerk Kraftwerk. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht Sophie Reyer der Frage nach, wie das Schreiben durch das schreibende Analysieren gebrochen wird. Seit 1991 die Lieblingsband der Readktion: Mona Lisa Overdrive. Vertiefend zur Lektüre empfohlen, das Kollegengespräch :2= Verweisungszeichen zur Twitteratur von Sophie Reyer und A.J. Weigoni zum Projekt Wortspielhalle. Mit etwas Verspätung erschien Pia Lunds zweites Solo-Album Gift. Smile war für A.J. Weigoni ein Versprechen. Eine Generation später wurde es eingelöst. Selbstverständlich auf Vinyl. Und in Mono. Eine Wiederveröffentlichung der Neu!-Studioalben ist auf dem Label Grönland erschienen. in 1999 ging KUNO der Frage Label oder available? nach. Einen Remix zu basteln ist in der Popmusik gang und gebe. Stephan Flommersfeld hat das Selbe mit der “Letternmusik” gemacht. „Wenn es Videoclips gibt, muss auch die Literatur auf die veränderten medialen Verhältnisse reagieren.“, postulierte A.J. Weigoni 1991 und erfand mit Frank Michaelis das Hörbuch. Erweiternd zum Medium der Compact Disc auch der Essay Press/Play.