Ein Wort wandert durch den noch undefinierten Raum. Es ist ein Wort, das diesen Raum für dein Leben erst möglich macht., solange ihn weder Geruch, Ausdehnung noch Farbe gefunden haben. Einer Gegend des Raumes entströmt Atem. Gedrängter verdichteter Leib, stumm, zusammengepresst im vergessenen Dunkel. Seine Ausdehnung lässt erahnen, wie groß der Raum ist. Verdichtetes, beseeltes Gefäß für ein Lebendiges, es saugt die luftige Äußerung aus dem Stoff der Sprache auf. Ferne Sprache, die seltsam unbeleibt in die blasser werdende Erinnerung eines abseitigen Gedächtnisses entweicht, das konturenlose Gedächtnis einer fremd bleibenden Existenz irgendwo draußen.
Dann ist es wieder still. Die Nacht legt sich als ein samtener Mantel auf die Flächen, die Gevierte, die Rundungen und organischen Formen und auf die wenigen Widerstände im Raum. Namenlose, zutiefst stoffliche Widerstände, deren Bedeutung sich ändern wird, wenn das Wort Besitz von dem Raum ergriffen haben wird. Ein Windzug streift ihre Oberflächen. Hölzern, Stumpf, metallisch glänzend oder poliert sind sie, papiern und textil, Landebahnen für die kleinen Insekten der Nacht.
#Der sanfte Wind, er fängt sich in der großen exotischen Pflanze mit den riesigen Handblättern, die nahe dem Fenster weit hinein in den Raum zeigt . Sie verbindet den Raum mit der einstmals vertrauten Region dort draußen, vermittelt, dass es sich lohnt, auch hier lebendig zu sein. Es gibt ein Fenster, und es ist einen Spalt geöffnet. Die Spuren der Hand, auf den Griff gestempelt, zersetzen sich, kleinste Partikel des Lebendigseins, Hautzellen, Keime, Bakterien, Amöben und schließlich die schon gespaltenen Atome künftiger Kriege gegen das Leben. Die Pflanze spricht, sie spricht die ganze Nacht hindurch mit all ihren Blättern und Zweigen mit dem Wind, der den Raum bewegt und mit immer neu hinein gewehten Düften erfüllt, der die Gerüche mischt und vertreibt und wieder neue ohne erkennbare Herkunft hineinträgt, Traumspiele, Traumverluste. Etwas streift draußen vorbei, es ist wieder ein Wort, ein Wort der Erinnerung, ein Wort der Bewegung, ein Wort, nach dem Du immer suchen wirst. Das Wort wandert durch den Raum und schärft die Konturen, allmählich, gründlich. Es riecht nach frischer Wäsche, er riecht nach frisch gemähtem Gras, es riecht man Holzbrand. Die Nacht überdehnt ihre Mitte, sie atmet ein, atmet aus. Aus dem Efeu, das die Fassade seit Jahren bis nahe ans Fenster hinauf bewächst, lässt sich ein zaghafter Vogellaut vernehmen, ein träumender Vogel, der nichts weiß von dem Wort im Raum und der dennoch der erste sein wird, den dieses Wort beleben wird.
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Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd