Obschon der sogenannte Southern Rock eine Spielart des Rhythm and Blues ist, die sich Ende der 1960er Jahre in der Nachfolge der Sklavenhalterstaaten der der USA entwickelte, konnte ich damit nie etwas anfangen. Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass es auch der Bürgerrechtsbewegung nicht gelang, die Rassenbeziehungen im Süden der USA endgültig egalisieren, es gab es eher Songs gegen die Südstaaten, die diese Klischees betonten. Die jungen Südstaatler wollten sich gegen diese Schuldzuweisungen wehren und ihr eigenes Lebensgefühl beschreiben. So war Lynryd Skynyrds Sweet Home Alabama eine dumpfe Reaktion auf Neil Youngs Southern Man. Und die Allmann Brothers Band nervten mit bekifften Gitarrensolis.
Auf das Debüt Little Feat wurde ich aufmerksam, nachdem Frank Zappa den Song Willin’ von Lowell George abgelehnt hatte. Dieser verließ zusammen mit Roy Estrada die Mothers, um eine eigene Band zu gründen. Anfangs noch deutlich im Country-Rock und West-Coast verwurzelt, entwickelte sich das Septett im Laufe der Jahre stärker in Richtung Jazz-Rock. Little Feat rumpelte sich durch einige Studioalben; die eigentliche Stärke waren jedoch ihre Konzerte, was sie mit Waiting for Columbus nachhaltig unter Beweis gestellt haben.
Im August 1977 ließ die Band im Rahmen einer Welttournee Konzerte in London und Washington mitschneiden. Das daraus produzierte Live-Album gilt als eines der besten Live-Alben der Rockgeschichte, weil sich die Band mit Tower Of Power Horns verstärkt haben, die auch Arrangements beisteuerten. Dies garantierte, dass nicht einfach die eigenen Songs nahe am Original runtergespielt wurden, dadurch entstanden dramatische Interpretationen der eigenen Werke auf musikalisch höchstem Niveau. Daher fällt es schwer einzelne Titel hervorzuheben, man sollte einfach den flow des Live-Albums geniessen. Lowell George erlag nach der Tour einem Herzanfall, die Band ging auseinander. Waiting For Columbus zeigt die Musiker auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität.
Lowell George ist ein Gott der Slide-Gitarre, er steht für das, was viele Musiker gern sein würden, für abgehangene Lässigkeit. Eine Form des laid-back, die nach seinem viel zu frühen Tod nie mehr in den Rhythm and Blues zurückgekehrt ist. Wie erweisen ihm die Ehre, wenn wir Waiting for Columbus und seine coolen Slides an einem trockenheißen Spätsommerabend bei einem kühlen Glas Weißwein einfach nur genießen. Auch Entspanntheit gehört gelegentlich zum Livestyle.
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Waiting for Columbus von Little Feat, Februar 1978. Auf CD 1990.
Weiterführend → Der Musikkritiker Ben Watson bezeichnet „Zappas Mothers of Invention“ als „politisch wirksamste musikalische Kraft seit Bertolt Brecht und Kurt Weill“ wegen deren radikalem, aktuellen Bezug auf die negativen Aspekte der Massengesellschaft. So besehen war Frank Zappa neben Carla Bleys Escalator Over The Hill einer der bedeutendsten und prägendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Hören den Turning Point, von John Mayall. Wir tasten auf KUNO den Puls des Motorik-Beats. War David Gilmour ein verkappter Blueser?
Des weiteren: Eine Sternstunde des Rock’n’Roll. Eine Betrachtung von Both Sides Now. Lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Ein Porträt der Gorgeous Queen of Ruhrgebeat-Trash. Warten nach Heavy metal thunder nicht auf den Blitz, um den Göttern des Donners eine Referenz zu erweisen und verorten die erste Punk-LP mit dem Bananenalbum. Wann hört Punk auf? Wann beginnt Post-Punk? Ist das bereits New Wave? Und warum lässt sich der isländische Kobold nirgendwo einordnen?
Geschlagene 16 (in Worten Sechzehn) Jahre lang kursierten unter den gewöhnlich gut eingeweihten Szenenkennen diverse Gerüchte um das unveröffentlichte Album Gift aus dem Jahr 2000. Es sollte seinerzeit Pia Lunds zweites Solo-Album nach ihrer Trennung von Phillip Boa & The Voodooclub werden. Lundaland, ihr Solo-Debüt von 1999, hatte die Kultsängerin als elegante Vorreiterin des verspielten Elektrobeats etabliert. Charmant an den Ambient Chansons von Mona Lisa Overdrive sind die Stücke, auf denen die Sängerin Nicole Vogt dem Material mit einer etwas fernen, wehmütigen Stimme eine Seele einhaucht.
Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch. Daher auch schnellstens der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe.