Bildtextkorrespondenzen

Language is a virus from outer space

William S. Burroughs

Dass moderne Literatur nicht nur im begrenzten Format eines Buches seinen Platz hat, belegen der Multimediakünstler Peter Meilchen, der Sprechsteller A.J. Weigoni oder die visuelle Poetin Angelika Janz sowie auch die Multimedia-Artistin Laurie Anderson nachdrücklich. Alle vorgenannten Artisten arbeiten sowohl mehrperspektivisch, als auch interdisziplinär. Ein Ansatz, der bei den germanistischen Fliegenschissdeutern bislang keine große Beachtung findet, weil die Rezeption von Literatur im Gegensatz zu der von bildender Kunst größtenteils im 19. Jahrhundert steckengeblieben ist. Die Literaturtheorie sollte daher im kommenden  21. Jahrhundert zu einer dienenden Rolle zurückfinden und endlich ihre Unterwürfigkeit ablegen. Man sollte an dieses Thema jedoch nicht unvorbereitet herangehen.

Das Fragment – geheime Kontinuität des Offenen, Ankunft und Präsenz allen Kunsttuns, dessen Angebot zum Unterwegsbleiben. Aller Anfang ist Zeremonie und – Fragment. Sinn ist überall, ein Sog versprengter Verirrungen, kleinste Reaktionen zertrennter Materie, wenn Stoff von sich selbst getrennt wird.

Angelika Janz

Ihre Fragmenttexte haben als Bild einen ästhetischen Wert, wenn auch einen eher abstrakten oder autonomen. Es gibt Papierschnitte und Collagen, wo Bild und Text, Bildsprache und Wortsprache miteinander korrespondieren oder gleichsam zusammengetackert sind. Diese Text-Bild-Collagen sind Einladungen zur Lektüre. Bild und Text spielen in ihnen zusammen, die Wörter haben unterschiedliche Größe, Farbe und Schrift. Die Collagen sind sinnlich, spielerisch, sprachschöpferisch und stets inspirierend. Wobei der Text bei dieser ästhetischen Prothetik niemals das Bild und das Bild an keiner Stelle den Text illustriert, sondern eine gegenseitige Erweiterung von Bild und Text stattfindet. Ihr Schaffen ist voll von solchen lyrischen Angeboten an die Leserschaft: denn Angebote sind es, unsere Konnotationen sind kein Allgemeingut, können es nicht sein, denn jedes menschliche Individuum hat seinen eigenen Erfahrungshorizont, den es in eine Lektüre mit einbringt und der gewissermaßen in eine Reaktion mit dem Text tritt: Subtext ist nicht einfach da. Es ist eine Durchkreuzung des Nullpunkts der Literatur.

the vera strange tapes

Photo: Anja Roth

Wie das englische Wort lyrics (für Liedtext) verrät, basierten die antiken Vorläufer der Popmusik auf Texten, die zu den Klängen der Lyra vorgetragen wurden. Tonmeister Tom Täger hat das 1989 produzierte Tape the last pop-songs (vom DAT) digital remastered. Frank Michaelis und A.J. Weigoni haben die Energie und die Einfachheit von Pop genutzt, um komplexere Emotionen auszudrücken. Es ist beeindruckend, wie unbekümmert sie Stile, Genres und Ausdrucksmittel mischen. So entsteht eine intermediale Literatur, Poetry slams und Songtexte werden als künstlerische Artefakte wahrgenommen, die es mit ‚klassischer‘ Literatur aufnehmen kann. Sie hören ein Denkspiel über Pop, das selbst Pop ist, weil es Pop als körperverwandelndes Medium versteht und Popgeschichte als Mediengeschichte. MetaPhon präsentiert in der Reihe Revisited einen Rückblick auf „The Best Of Jugendsünden“.

Jede Generation hat eine eigene Vorstellung davon, was ein Album ist, ihnen ist die Erzählung am Wichtigsten, das Tonträgerformat ist eine Limitierung. Der erste Schriftsteller, der den künstlerischen Wert der CD erkannte war A.J. Weigoni. In 1991 produzierte er mit dem Komponisten Frank Michaelis die LiteraturClips auf CD (der Claim Hörbuch war noch nicht abgesteckt) realisierte, und das für das Label Constrictor, weil die großen Verlage weiterhin die Compact Cassette für das Medium der Zukunft hielten.

 

…will be continued…

 

 

 

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Vorankündigung: Schland, Ausstellung von Peter Meilchen in der Werkstattgalerie Der Bogen, Lange Wende 42, 5760 Neheim, ab 17:00 Uhr.

Big Science, Laurie Anderson, 1982

The last pop-songs, von A.J. Weigoni und Frank Michaelis (mit Marion Haberstroh und Andy Schulz) bei instant music, Düsseldorf 1989

Corridor, von Angelika Janz. Scherrer und Schmidt, Köln 1991.

Weiterführend Lesen Sie auch die Würdigungen von Jens Pacholsky: Hörbücher sind die herausgestreckte Zunge des Medienzeitalters.

→ Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd