Er war für mich der Inbegriff eines durchgeistigten, analytisch-deduktiv scharf denkenden Intellektuellen. Ich sehe ihn noch wie lebendig vor mir. Seine schlanke, hohe Gestalt, das weiße glatte Haar, sein schmales, asketisch wirkendes Gesicht, seine straffen Bewegungen, knapp, zielgerichtet im Ausdruck, straff begrenzt, präzise wie sein Denken und Reden. Die Sprache klar, alles war eindeutig; wenngleich auch immer im Gesagten ein gleichzeitiges Fragen, ein Hinterfragen spürbar war. Sperber stammte aus einer jüdischen Familie in Galizien, war früh nach Wien gekommen, war einige Zeit aktiv bei der kommunistischen Partei, bis er sich von ihr 1937 abwandte, dann vor den Nazis über Jugoslawien nach Paris flüchtete, wo er im Exil bis zu seinem Tod 1984 blieb. Er war des öfteren in Wien. Ich habe ihn auch auf der Straße gesehen; in einem grauen Mantel mit schwarzer Baskenmütze auf dem Kopf. Er war eine elegante Erscheinung. Eine Persönlichkeit von vornehmer Zurückhaltung. In seinen Urteilen schonungslos, auch sich selbst gegenüber, wie das, wenn er über sein Leben sprach, immer wieder zum Ausdruck kam. Seine Stimme habe ich noch in meinem Gedächtnis, ich würde sie unter anderen sofort wiedererkennen. Seine Romantrilogie „Wie eine Träne im Ozean“ hat mich sehr gefesselt, die Bücher stehen in meiner Bibliothek.
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Schriftstellerbegegnungen 1960-2010 von Peter Paul Wiplinger, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010