Wer ein Blues-Rock-Album als Klassiker hören will, kommt um „Colosseum Live“ nicht herum, es ist eines der explosivsten Livealben aus einer Zeit, in der sich das dargebotene noch nicht eindeutig etikettieren lies.
Ein Rückblick könnte aufklären. Colosseum wurde 1968 vom Schlagzeuger Jon Hiseman und dem Saxophonisten Dick Heckstall-Amith gegründet, beide Musiker hatten zuvor bei der Graham Bond Organisation gespielt hatten. Wenn der britische Blues einen Paten hat, dann ist es einerseits Graham Bond, der dem R&B eine wilde Hammondorgel bescherte und die klassischen Klänge einführte. Die Musiker spielten ebenfalls bei Alexis Korner, dem Vater des britischen Blues oder bei John Mayall, der gleichfalls den europäischen „weißen“ Blues popularisiert hatten.
It started with the blues… und mündet in suitenartigen Kompositionen
Zur Bandgründung brachte Hiseman die ihm schon aus Schulzeiten bekannten Dave Greenlade und Tony Reeves mit ein. Zusammen testeten sie zahlreiche Gitarristen und Sänger und entschieden sich für James Litherland (von James Litherland’s Brotherhood). Hiseman gewann den Musik-Produzenten Gerry Bron für die Produktion der Alben und die Organisation der Auftritte. Innerhalb kurzer Zeit wurde Colosseum mit suitenartigen Kompositionen, die Jazz, Rock, Blues und klassische Elemente fusionierten, bekannt. In der Tradition von Rahsaan Roland Kirk spielte Heckstall-Smith zuweilen zwei Saxophone simultan. Das vielschichtige instrumentale Spektrum wurde 1970 durch den Rhythm ’n’ Blues Sänger Chris Farlowe sinnfällig erweitert, nachdem bereits im Oktober 1969 David „Clem“ Clempson als Gitarrist in die Band geholt worden war.
Durch das unablässige Touren hatte sich die Band eingegroovt.
Das Album Colosseum Live wurde an der Manchester University und dem Big Apple in Brighton eingespielt. Zu den Höhepunkten der Zusammenstellung gehören nicht zuletzt die Coverversionen, wobei Colosseum immer sehr freimütig mit Kompositionen anderer umgegangen sind: Mike Gibbs’ Tanglewood ‘63’, T-Bone Walkers Stormy Monday, Rope Ladder to the Moon aus Cream-Bassist Jack Bruces Solowerk und Graham Bonds Walking in the Park. Als weitere Höhepunkte lassen sich selbstverständlich das unwiderstehliche Lost Angeles nennen. Bis auf Walking In The Park, dem Opener ihres Debütalbums, war keines der Stücke vorher auf einem der UK-Studioalben zu hören gewesen. Zwei Songs – Rope Ladder To The Moon und Lost Angeles – hatten es immerhin in kurzen Studioversionen auf das US-Album The Grass Is Greener geschafft. In der Live-Fassung jedoch waren sie nun auf die etwa dreifache Länge angewachsen und besaßen einen völlig neuen, entfesselten Charakter.
Das Album Colosseum Live gilt als Diamant der Rockgeschichte, es ist eines der besten, eigenständigsten, explosivsten Livealben sämtlicher Genres. Es dokumentiert den wohl höchsten Entwicklungsstand der Gruppe. Bedauerlicherweise löste sich Colosseum im November 1971 auf. Das plötzliche Ende erhöhte jedoch den Legendenstatus der Platte.
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Colosseum Live, 1971
Wie schlecht es um die Renten- und Sozialversicherung in anderen Ländern steht, belegt ein Konzert im „Rockpalast“, dort ließ die Band noch einmal ihre alten Perlen funkeln.
Weiterführend → Der Musikkritiker Ben Watson bezeichnet Zappas Mothers of Invention als „politisch wirksamste musikalische Kraft seit Bertolt Brecht und Kurt Weill“ wegen deren radikalem, aktuellen Bezug auf die negativen Aspekte der Massengesellschaft. So besehen war Frank Zappa neben Carla Bleys Escalator Over The Hill einer der bedeutendsten und prägendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Die Komponistin führt uns vor Ohren, dass Improvisation ein gesellschaftspolitisches Idealmodell ist. Andere Nebenwege starten mit der Graham Bond Organisation, dem Blues… und diese Abwege münden in suitenartigen Kompositionen. Musikalisch konnte man seinerzeit auch Traffic nicht genau einordnen. „Extrapolation gilt heute als eines der klassischen Alben des britischen Jazz, auf dem „Jazz und Rock paradigmatisch fusioniert“ werden.“, schrieb Ulrich Kurth. Das Album dürfte neben Hot Rats von FZ für den Beginn des Jazz-Rock stehen.Es ist eine einzigartige Fusion so vieler unterschiedlicher Stile, was die eine Hälfte der Freude ausmacht; die andere Hälfte ist das Mysterium, wie es die Combo mit den wechselnden Besetzungen von Anfang bis Ende so wunderbar hinbekommt. Wenn man bedenkt, wie frei von allen Konventionen Soft Machine aus Canterbury klang, seit sie den Titel des Cut-up-Romans von William S. Burroughs angenommen hatte, hätte der Pate ihre Hinwendung zu den sich wandelnden Jazzformen zu Beginn der 1970er Jahre wahrscheinlich begrüßt. Fast alles, woran Steve Winwood beteiligt war, hatte etwas für sich, aber in all den Jahren hatte er seine besten Momente mit Traffic, mit zeitlichem Abstand lässt sich hören, wie gut diese Musik gealtert ist. Zu hören ist auch auf „Bitches Brew“ ein kollektives Musizieren, das Miles Davis als einen Komponisten erweist, der individuelle Freiheit mit respektvollem Zuhören vereint. Aus dem schillernden Klangbild der Lounge Lizards brechen reizvolle Statements hervor. Anton Fier belebt ein groovendes Energiefeld mit abstrakter Vieldeutigkeit. Spannend sind John Luries freidenkerische Dekonstruktionen der Jazz-Strukturen; Fake Jazz erscheint plötzlich als das Eigentliche!