Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh‘,
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.
„Über allen Gipfeln“ schrieb Goethe wahrscheinlich am Abend des 6. September 1780 mit Bleistift an die Holzwand der Jagdaufseherhütte auf dem Kickelhahn bei Ilmenau. Dort, „auf dem Gickelhahn dem höchsten Berg des Reviers“ übernachtet zu haben, „um dem Wuste des Städgens, den Klagen, den Verlangen, der Unverbesserlichen Verworrenheit der Menschen auszuweichen“, berichtete Goethe Charlotte von Stein mit einem „d. 6. Sept. 80“ datierten Brief, und fuhr fort: „Wenn nur meine Gedancken zusammt von heut aufgeschrieben wären es sind gute Sachen drunter. Meine beste ich bin in die Hermannsteiner Höhle gestiegen, an den Plaz wo Sie mit mir waren und habe das S, das so frisch noch wie von gestern angezeichnet steht geküsst und wieder geküsst“. Die Verse, die er an die Bretterwand der Hütte schrieb, erwähnte er auch in seinen folgenden Briefen mit keinem Wort. Allerdings kann Karl Ludwig von Knebels Tagebucheintrag vom 7. Oktober 1780 auf Goethes Inschrift bezogen werden: „Morgens schön. Mond. Goethens Verse. Mit dem Herzog auf die Pürsch […] Die Nacht wieder auf dem Gickelhahn“. Ungewiss ist, ob Goethes Inschrift in jeder Einzelheit mit dem 1815 von ihm veröffentlichten Text übereinstimmte.
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.