Der Henker

 

Ich kugle Dich auf Deiner roten Decke.

Ich bin am Werk: blank wie ein Metzgermeister.

Tische und Bänke stehen wie blitzende Messer

der Syphiliszwerg stochert in Töpfen voll Gallert und Kleister.

 

Dein Leib ist gekrümmt und blendend und glänzt wie der gelbe Mond

deine Augen sind kleine lüsterne Monde

dein Mund ist geborsten in Wollust und in der Jüdinnen Not

deine Hand eine Schnecke, die in den blutroten Gärten voll Weintrauben und Rosen wohnte.

 

Hilf, heilige Maria! Dir sprang die Frucht aus dem Leibe

sei gebenedeit! Mir rinnt geiler Brand an den Beinen herunter.

Mein Haar ein Sturm, mein Gehirn ein Zunder

meine Finger zehn gierige Zimmermannsnägel

die schlage ich in der Christenheit Götzenplunder.

 

Als dein Wehgeschrei dir die Zähne aus den Kiefern sprengte

da brach auch ein Goldprasseln durch die Himmelssparren nieder.

Eine gigantische Hostie gerann und blieb zwischen Rosabergen stehen

ein Hallelujah gurgelte durch Apostel- und Hirtenglieder.

 

Da tanzten nackichte Männer und Huren in verrückter Ekstase

Heiden, Türken, Kaffern und Muhammedaner zumal

Da stoben die Engel den Erdkreis hinunter

Und brachten auf feurigem Teller die Finsternis und die Qual.

Da war keine Mutterknospe, kein Auge mehr blutunterlaufen und ohne Hoffen

Jede Seele stand für die Kindheit und für das Wunder offen.

 

 

 

Fotografie von Hugo Ball; Kostüm wie bei Dada-Auftritten im Cabaret Voltaire, 1916

Weiterführend → Lesen Sie auch einen Artikel über die Gründung des Cabaret Voltaire.

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