Geliebte,
Auf kupfernen Wegstreifen
Kam heute der Morgen gezogen.
Du sahst seine Pferde ausgreifen,
Die rot der Sonne vorflogen
Mit scharlachnen Mähnen und Schweifen.
Sie setzten in Brand die Brücke,
Haben Feuer auf Berge geschrieben.
Flußwellen wie Fackeln hintrieben
Und Fenster wurden Goldstücke –
Daß sich Deine Wimper entzücke,
Die Augen Dir glänzend blieben,
Und Dich noch fortrücke der Tag,
Wie es nur Nacht und Liebe vermag.
Die von Farben und Tönen bestimmte ungebundene und rhythmische Lyrik machte Dauthendey zu einem der bedeutendsten Vertreter des Impressionismus in Deutschland. Seine Werke sind bestimmt von der Liebe zur Natur und deren Ästhetik. Mit virtuoser Sprachbegabung setzte er seine Sensibilität für sinnenhafte Eindrücke in impressionistische Wortkunstwerke um. Bereits seine erste Gedichtsammlung von 1893 mit dem Titel „Ultra-Violett“ lässt die Ansätze einer impressionistischen Bildkraft erkennen, die dichterisch gestaltete Wahrnehmung von Farben, Düften, Tönen und Stimmungen offenbart. In seiner späteren Natur- und Liebenslyrik steigerte sich dies bis zur Verherrlichung des Sinnenhaften und Erotischen und traf sich mit seiner Philosophie, die das Leben und die Welt als Fest, als panpsychische „Weltfestlichkeit“ begriff. Rilke bezeichnete ihn als einen „unserer sinnlichsten Dichter, in einem fast östlichen Begriffe“.
→ Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.