Sprechen oder Schreiben ist ein Bemühen um größeres Welt-Verständnis. Wer beschreiben kann, begreift, und umgekehrt. Literarisches, dichterisches Beschreiben ist, im Unterschied zum wissenschaftlichen, der Subjektivität geöffnet, ja verpflichtet, und im Bewusstsein gelassener, anders kontrollierter Subjektivität muss dann das Bezeichnete im Bezeichnenden eine größere Deutungssphäre gewinnen. Das ist das, was reizt – und das Spielen mit dem Sprach- und Welt-Material! In diesem Spiel, dem kontrollierten Experiment in den Naturwissenschaften vergleichbar, ergeben sich Erkenntnisgewinne, neue Gefühle werden erzeugt, nicht immer klar zuzuordnende Spielergebnisse, die befriedigen und zugleich wieder reizen.
Je jünger wir sind, wenn wir zu solcher Sprach- und Lebenserweiterung aufbrechen, umso größer ist der Fortschritt. Wenigen gelingt auch im höheren Alter radikale Progression. Fontane schrieb seine großen Romane erst spät – aber er schrieb sehr viele Aufsätze, Schilderungen und Gedichte schon viele Jahre vorher. Wenn Fontane von Anfang an aufs Ganze gegangen wäre – hätte er dann den bedeutenderen „Werther“ geschrieben? Schwer zu sagen.
Sinnvoll ist es also, sich vor allem an sich selbst zu messen.
Dem älteren Autor steht die größere Welterfahrung im Wege, wenn sie zu Formen verführt, die wie allzu bekannte Wege langweilen. Der junge Autor ist freier im Umgang mit der Realität. Ihm steht die bewährte Form nicht im Wege. Am besten ist es, der junge Autor geht mit der Form barbarisch um, damit die Wirklichkeit neu wirkt. Am besten geht der ältere Autor mit dem Inhalt barbarisch um, wider besseres Wissen, damit er neue Formen findet. Dann ist er jung.
***
Aus der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft Gedanken über das lyrische Schreiben.
Weiterführend →
Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.