Die österreichische Dichter Heinrich Nowak wird am 26. Januar 1890 in Wien geboren. Sein katholisches Elternhaus ist geprägt von der tschechischen Herkunft; zu Hause wird Tschechisch gesprochen, die Ferien verbringt der kleine Heinrich bei den Großeltern in Südböhmen oder in Mähren – hier lernt er das Landleben als wohltuenden Kontrast zum Leben in der Großstadt Wien kennen. Nach dem Ablegen der Matura am angesehenen humanistischen k. k. Akademischen Gymnasium schreibt er sich zum Wintersemester 1911/12 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien ein, wo er (mit Unterbrechungen) bis zum Sommersemester 1918 studiert und Lehrveranstaltungen zu Literatur, Philologie, Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte belegt. Im März 1912 veröffentlicht er zum ersten Mal ein Gedicht in der Zeitschrift des Akademischen Verbandes für Literatur und Musik „Der Ruf“. Weitere Veröffentlichungen von Gedichten, Prosa, Rezensionen u. a. folgen in expressionistischen Zeitschriften wie „Der Sturm“, „Die Aktion“, „Der Merker“, „Die weißen Blätter“, „Der Anbruch“ sowie in Anthologien. Im Juni 1913 erscheint sein Gedichtband „Die tragische Gebärde“, was auch insofern bemerkenswert ist, weil zu diesem Zeitpunkt von den bekannt gewordenen österreichischen Expressionisten nur Franz Werfel bereits eine eigene Veröffentlichung vorweisen konnte, Georg Trakl und Albert Ehrenstein hatten bis dahin lediglich jeweils nur etwa ein Dutzend Gedichte in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht. Ein Rezensent des Nowak-Gedichtbandes hebt den willentlichen Verzicht auf die „Einschläge eines moralische Pathos“ hervor, wie er bspw. in Gedichten von Georg Heym oder Gottfried Benn zu finden sei. „Nowak genügt als Reizung das reine Objektive, das rein Mechanisch-Figürliche. So entstehen Kompositionen auf die Themen: Damenringkampf, Kino, Straße, wo, vermöge einer ungewöhnlichen Kraft des Zugleichsehens, das herkömmliche Nacheinander der Eindrücke als ein verblüffendes, räumliches Nebeneinander dem Lesenden, kaleidoskopisch, vor die Einbildung zitiert wird.“ Nowak übernimmt bis Mitte 1914 die österreichische Redaktion der Zeitschrift „Saturn“. Nachdem er schon verschiedene Male gemustert und entweder zurückgestellt oder beurlaubt worden war, wird er im September 1915 endgültig als „dienstuntauglich“ aus dem Heeresverband entlassen. Von Ende 1917 bis Mitte Februar 1918 ist er verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift „Der Anbruch“, veröffentlicht 1920 noch das Prosastück „Die Sonnenseuche“ – dann zieht er sich aus der Literatur zurück und arbeitet fortan als Journalist für verschiedene Zeitungen wie bspw. die „Neue Freie Presse“ und die „Wiener Allgemeine Zeitung“. Ab 1930 ist er zunächst ständiger Reporter der „United Press“, dann ab 1934 der „Associated Press“. Seine 1919 geschlossene Ehe mit der Schauspielerin Cäcilie Lvovsky scheitert; 1935 heiratet er seine Jugendfreundin Stefanie Spitzer. Nach der Annexion Österreichs im März 1938 gelingt es seiner jüdischstämmigen Frau, nach London zu fliehen; er selbst bekommt kein Einreisevisum und flieht am 22. August 1939 nach Zürich. Wegen des für alle Emigranten geltenden strikten Arbeitsverbotes folgt ein Leben in großer materieller Not. Erst Mitte 1943 erfolgt durch die Fremdenpolizei eine Bewilligung der Mitarbeit für das schweizerische Büro der „Associated Press“, auch darf er gelegentlich Beiträge für die „Neue Zürcher Zeitung“ und die Wochenzeitung „Freies Volk“ schreiben. Seine Ehe mit Stefanie, die er nie wiedergesehen hat, wird geschieden. Nach dem Krieg ist er zunächst freier Mitarbeiter u. a. für das „Schweizer Journal“, ab August 1948 Zürcher Korrespondent der „Münchner Abendzeitung“. Anfang 1949 wird Nowak, der 1942 unwissentlich ausgebürgert worden war, wieder österreichischer Staatsangehöriger; aber er kehrt nicht nach Österreich zurück, sondern ersucht um Dauerasyl in der Schweiz. Als nach der Hochzeit mit Hedwig Ammann die Flüchtlingshilfe entfällt, ist Nowak vom bescheidenen Einkommen seiner Frau abhängig. Sein Selbstvertrauen als Journalist, das durch die arbeitsarmen langen Jahre im Exil ohnehin stark gelitten hatte, wird immer geringer. Depressionen stellen sich ein. Auch der Körper verweigert dem Kettenraucher zusehends den Dienst. Heinrich Nowak stirbt am 12. August 1955 im Zürcher Theodosianum.
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Das 46. Heft der Lyrikreihe „VERSENSPORN – Heft für lyrische Reize“ bietet mit insgesamt 40 Texten alle bislang bekannten Gedichte Heinrich Nowaks. Neben dem Abdruck des einzigen Gedichtbandes „Die tragische Gebärde“ (1913) werden auch die nur verstreut publizierten Gedichte präsentiert. Die Auflage beträgt 100 Exemplare. Als Titelabbildung wurde der Holzschnitt von Herbert Großberger „Straße“ (1913) verwendet.