Jäh ist der Abend hell geworden, denn
schon fällt der Regen in genauen Tropfen.
Fällt oder fiel. Zweifellos ist der Regen
etwas, was in Vergangenheit geschieht.
Der, der ihn fallen hört, gewinnt die Zeit
zurück, da ihm ein günstiges Geschick
die Blume namens Rose offenbarte
und diese sonderbare Farbe Rot.
Der Regen, der die Scheiben blendet, wird in
verlorenen Vorstädten die schwarzen Trauben
der Laube eines Patio erquicken,
der nicht mehr ist. Dieser benetzte Abend
bringt mir die Stimme, die ersehnte Stimme
meines Vaters, der heimkehrt und nicht tot ist.
***
El hacedor, Gedichte und Prosa von Jorge Luis Borges, 1960
Jorge Francisco Isidoro Luis Borges Acevedo 1899 in Buenos Aires geboren. Er verfasste eine Vielzahl phantastischer Erzählungen und Gedichte und gilt als Mitbegründer des Magischen Realismus. Ein wiederkehrendes Thema sind Bücher, die Borges immer wieder zu den Hauptfiguren seiner Geschichten machte (z. B. in Die Bibliothek von Babel, Das Sandbuch, Untersuchung des Werks von Herbert Quain, Der Weg zu Amotásim, oder Tlön, Uqbar, Orbis Tertius). Oft geht von diesen Büchern eine phantastische Macht aus, die an den Grundfesten der Realität rüttelt, diese verändert oder gänzlich eigene Realitäten hervorbringt. Parallel dazu sind Borges’ Erzählungen bevölkert von bibliophilen und belesenen Hommes de lettres, die sich mit obskuren Schriften oder Enzyklopädien auseinandersetzen bzw. diese verfassen. Das genüssliche Zitieren oder Erwähnen von realen und fiktiven Büchern inklusive der Angabe von Ort und Veröffentlichungsdatum ist ebenfalls ein Charakteristikum seiner Erzählungen.
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.