ein lyrisches Monodram (Auszug)
Langsam und stetig dreht sich dieser Erdteil aus der Sonnenseite heraus.
Flutzungenschläge belecken den Strand
tasten ihn nach Widerstand ab
schieben Treibgut vor sich her
den übervollen Mond im Schlepptau gemahlener Salzkristalle
umlechzt von Lichtfäden
gesponnenes Seemannsgarn
verwoben zu einem festen Tau
mit dem die pittoresken Fischerboote an der Mole
verschnürt zu sein scheinen.
Ankerplätze vorübergehender Ermüdungserscheinungen
ruhelose Raststätte
wellenwillig umspült.
Dichte Netze
in denen sich dieser gedankliche Faden fortspinnt
grasen den Grund ab
fischen in Regionen
die das menschliche Augenlicht nicht auszuleuchten vermag
befördern Einzelteile
an die wohltuend salzhaltige Luft
um den Prozess der Erstarrung nachhaltig zu dokumentieren
der seinerseits geeignet zu sein scheint
um den Begriff
Übergang
in das geeignete Gewand zu kleiden.
Die Nacht senkt sich über den Hafen
drängt die Hitze in die Vorberge zurück
wo sie ihr Lager aufschlägt.
Ein Saxophon flicht eine bittere Melodie
in den melancholisch milden Geräuschpegelstand.
Stimmen schwankeln
lassen allerdings keinen grammatikalischen Zusammenhang erkennen
sondern verklingen ohne Widerhall in den Gassen…
Ein Szenario für einen Klangmaler
nur wird hier nichts gesampled
es fügt sich wie es ist
ruht in sich selbst
und aus sich heraus.
…
***
Señora Nada, lyrisches Monodram von A.J. Weigoni, Landpresse Weilerswist, 1995
Es gibt in der neueren Literatur nicht viele überzeugende Langgedichte. Das Geheul von Ginsberg, Der Untergang der Titanic von Enzensberger – und es ist nicht übertrieben, wenn man in diesem Zusammenhang auch das lyrische Monodram Señora Nada von A.J. Weigoni erwähnt, vielleicht das faszinierendste deutschsprachige Langgedicht der letzten Jahre. Dieses „Nachtstück“ besticht nicht nur durch seine souveräne sprachliche Meisterschaft, sondern auch durch eine gedankliche Tiefe, die dichterisch facettenreich ausgelotet wird.
Axel Kutsch (Lektor und Herausgeber von Señora Nada in der Landpresse)
Die bibliophile Ausgabe ist vergriffen. Wiederveröffentlicht in: Parlandos, Langgedichte und Zyklen von A. J. Weigoni, Edition Das Labor, Bad Mülheim 2013.
Als Hörspielfassung in der Regie von Ioona Rauschen (Sprecherin: Marina Rother) erschienen auf: Gedichte, HörBuch mit den lyrischen Gesamtaufnahmen von A.J. Weigoni, mit Klangkompositionen von Tom Täger für die Edition Das Labor, Mülheim an der Ruhr 2015.
Probehören kann man das Monodram Señora Nada in der Reihe MetaPhon.