Monat: September 1995

GEWITTER

reißt das wetterweiß der wolken kreischen schwalben stürzen nieder halten frauen was sie haben jagen tropfen aufs gefieder pulsen hinter mauern stöße durch die wand die münder legen an die quelle sich und atmen nebel steigen nach dem regen ***…

Spuren des Mondes

  Wir gehen den Spuren des Mondes nach, Unsere Schatten zeichnen sich nur schwach, Sind wie dunkle Geister, die uns begleiten, Die auf den Fersen uns folgen zu allen Zeiten. Ein Baum steht am Weg mit dunklem Dach, An dem…

Landschaft im Stundenglas

    herrlich, himmel krümmt sich schief über der schilfbleiche die gier nach spaltung reißt den horizont anständig lustfern auf die baracke unterm vollmondrot gibt struktur ab, lands- läuten überall wir melden das kreisende das gespiegelte blutfett heller, herrlich unter…

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In scheinbar normaler Nachtholen Szenen, nie gekannte dich ein: gewandte Macht durch flüsternde Hecken: Gewehre, Wachsen zertreten den Schutz, die Liebe, den Leib Spalier schwarzer Augen: Todesachsen verketten alle fliehenden Schritte fällst, verlierst jede Mitte in einer beliebigen Nacht bist…

glans und gloria

    ach schicksalhaft fixiert auf fixe schicksen so rennst du bis an deine letzte grenze doch schlenzt du schon vom gipfel deiner lenze und musst verflixt die schicksten nixen tricksen   du musst gewinnrezepte feiler mixen lern feine lebensart…

Der Sturm

  Im Windbrand steht die Welt. Die Städte knistern. Halloh, der Sturm, der grosse Sturm ist da. Ein kleines Mädchen fliegt von den Geschwistern. Ein junges Auto flieht nach Ithaka.   Ein Weg hat seine Richtung ganz verloren. Die Sterne…

Bye, bye, Biby

Und so nehmen wir Abschied von einem Mann, der als Beispiel dafür gelten kann, daß es auch zu unseren Tagen Menschen gibt, die wahrhaft nicht zu ersetzen sind … als Beweis dafür, daß gelebte Menschlichkeit tiefe Spuren hinterläßt und letztlich…

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Herbst hebt sich fort als Schwalben am Himmel immer noch alt wachsen nur schlechte Sternen aus diesen überalterten Bäumen *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie…

WAS SCHREIBEN – WAS TUN

    was schreiben – was tun das ist die frage jetzt und überhaupt nach all dem was geschehen ist inmitten von all dem was geschieht was schreiben – was tun mit der sprache dem wort ohne die sprache ohne…

Doppeldeutigkeit

    Kreissäge, Zentimeter für Zentimeter eine rotative Beschleunigung der Greifbarkeit Die haselnussfarbenen. Letzten. Lindenblüten hängen am Maste. Das eine ist nah. Das Ausgeschiedene eines Regenwurms gleitet umtriebig über das Blattfleisch Eine Sklavin der Wut packt ihre Sachen fünfstellige Rechnungen…

Testament

1 Wo bin ich?   wohin hat es mich gebracht? was ist das für ein schwarzes nachtgelände im nervenbaum im   fontanellenschacht? es ist kein anfang und es ist kein ende So eng ist’s hier daß es unendlich weit ist so schwarz daß sie…

Die zehnte Muse

  Vorbemerkung der Redaktion: Obwohl die nonkonformistische Literatur ehrlich und transparent zugleich sein wollte, war gegen Ende der 1960er nur schwer zu fassen. Der Zeitzeuge Erich Mühsam über eine Anthologie: »Die zehnte Muse« ist der Titel einer Anthologie humoristischer Gedichte…

Topograf der eigenen Erinnerungen

    Verschwenk… …wuppwech klapperkratz œlweich abschmier… Gesamtsoll – Gesamtist = hœherkonzentrierte Leichtigkeit evoziert mehr Tiefe: nur wer die Huelle zer ≠ stœrt kann wirklich in die Tiefe ein dringen ≈ das Zerebrum schwimmt sich frei…       ***…

Dämmer

    Mein kaltes Grausen ist der Schlaf bevor ich ihn probiere   Ich ziehe ab Ich zieh mich an mein Denken dröhnt im Hausen   Man spricht mir gut ich denke gleich mich trifft was ich studiere   Ich…

Freispruch für Loreley

    Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass felsenhart standhält der alte Verdacht, den Dichter nie glaubhaft zerstreuten: Der Loren Gesange hätt‘ Unheil gebracht.   Was hat sie denn wirklich strafrechtlich getan? Von Loeben verschwieg nicht des Rheines…

Dichter auf dem Markt der Persönlichkeiten

  Eine Bekanntheit, die nicht durch Medien, akademische Wissenschaft oder Kollegen aus der literarischen Nomenklatura legitimiert ist, zieht in der Regel die Abneigung der letzteren nach sich. Das Schaffen der Schriftsteller außerhalb des Mainstreams, das nicht mit dem ästhetischen Geschmack…

Der Dorfdadaist

    In Schnabelschuhen und im Schnürkorsett Hat er den Winter überstanden,. Als Schlangenmensch im Teufelskabinett Gastierte er bei Vorstadtdilletanten.   Nun sich der Frühling wieder eingestellt Und Frau Natura kräftig promenieret, Hat ihn die Lappen- und Atrappenwelt Verdrossen erst…

Die träumende Brutmaschine

  Pak Wanso hat  den Grundstein für eine feministische Literatur in Südkorea gelegt. Dieser Band enthält die Erzählungen »Drückende Heimkehr«, »Die träumende Brutmaschine« und »Kaffee mit der Mutter«. Das Thema ist der Umbruch Südkoreas von einer traditionellen Gesellschaft zu einer…

Scheerbartiana

  Die Geschichte, wie ich für meine Gedichte den ersten Verleger fand, hat eine Vorgeschichte, die weder mit den Gedichten noch mit Verlagsangelegenheiten zusammenhängt, sondern mit einem von Alkohol und Galgenhumor getränkten Abend bei Paul Scheerbart. Es wird – hoffentlich!…

döllacher elegie (tauern und tage)

  wir gehen über haut andere vergnügungen gönnen wir uns nicht mehr dein gesicht liegt eingebettet zwischen moränen   du schmiegst dich in die landschaft grün feucht und kalt blättert haut auf wie rinde oder schiefer   das moos auf…

Grave [Mikado imperial]

  Ein Spiel, gedacht zur Entspannung Von Augen, Herz, Stimmung – Wer sich bewegt, gerät noch tiefer In die Schlingen hinein. Geh – und sieh dich nicht um, die nächste Hand, die nach dir greift, wird dich Erwischen, und du…

Borderline – freies Feld

  WEIGONI: Abseits des Zeitgeistes geben sich Literaturzeitschriften mit kleinen Auflagen und einem fachkundigen Publikum zufrieden. Manchmal scheint es mir, als ob die Herausgeber von Literaturzeitschriften die letzten Idealisten sind – oder wie sehen sie ihre Arbeit? BRUNO KARTHEUSER: Unser…

Jägerlied

  Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee, Wenn er wandelt auf des Berges Höh: Zierlicher schreibt Liebchens liebe Hand, Schreibt ein Brieflein mir in ferne Land‘. In die Lüfte hoch ein Reiher steigt, Dahin weder Pfeil noch Kugel fleugt:…

e kamesgi luludschi – die sonnenblume

    die sonnenblume ist die blume des rom. sie gibt nahrung, sie ist leben. und die frauen schmücken sich mit ihr. sie hat die farbe der sonne. als kinder haben wir im frühling ihre zarten, gelben blätter gegessen und…

DIE LYRISCHEN MÄRCHENÖNKEL

  Das schlimmste unter den lyrikern sind die kiffer und märchenerzähler sie kratzen sich zwanghaft am wörtergrind und wissen nicht sie sind die quäler Da fließt es und grünt und ist happy und free und einer schmiert graphik dazu da…

Unstillleben

  Die Wetterwand: Ein Lichtband zieht Hell Fächer in das schwere Grau. Jetzt kommt das Raumschiff, es geschieht, Doch nichts passiert, und ganz genau,   Zu dieser Zeit, der Tropfen fällt, Platzt kalt und nass auf einer Hand, Die einen…

Sehen

    Da stand die Staffelei in der Ecke, darauf ein Bild von einem Jungen. Und je näher Herr Nipp heranging, desto weniger von dem Jungen war zu sehen. Erst im Zurücktreten sah er wieder ein Ganzes, einen Jungen auf…

Der Einsame

  Verhaßt ist mir das Folgen und das Führen. Gehorchen? Nein! Und aber nein – Regieren! Wer sich nicht schrecklich ist, macht niemand Schrecken: Und nur wer Schrecken macht, kann andre führen. Verhaßt ist mirs schon, selber mich zu führen!…

Dieser Corpus

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Gefallen

  Der Himmel flaumt das Auge Die Erde krallt die Hand Die Lüfte sumsen Weinen Und Schnüren Frauenklage Durch Das strähne Haar.         *** Am 1. September 1915 ist August Stramm bei Horodec östlich Kobryn, in einem sinnlosen Krieg…