Sehen

 

 

Da stand die Staffelei in der Ecke, darauf ein Bild von einem Jungen. Und je näher Herr Nipp heranging, desto weniger von dem Jungen war zu sehen. Erst im Zurücktreten sah er wieder ein Ganzes, einen Jungen auf einem Platz. „Wir können nur spekulieren, was ist. Niemand kann wissen, solange wir nicht kontrollieren, was wir sehen, welchen Bestand wir wahrnehmen können. Nur eines ist klar, wir irren und irrlichtern.“, stand auf einem Zettel neben dem Bild. Herr Nipp schaute sich auch den Rest der Ausstellung an. Skulpturen, die der Realwelt entnommen schienen, Bilder, die lediglich auf dem Effekt von Farbe beruhten. Er sah Zeichnungen, die so völlig neue Welten erzeugten und eine Installation, deren Sinn er nicht verstehen konnte. Und plötzlich begriff er etwas. EGAL was er in dieser Ausstellung zu sehen bekommen würde, egal was er draußen in der Realität sehen würde in Zukunft, es hatte sich ein Bruch ergeben. Was ist was und wo endet der Raum, wie sehen wir? Kunst ist letztlich nur etwas in einem bestimmten Kontext. Kunst ist nur Kunst im Rahmen von Kunst. Realität ist nie real und da alles real ist…

 

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019

Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das Geschehen verweist auf einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421