Blut

 

Wir haben mehr Blut als wir denken.

So schnell macht die Liebe nicht tot!

Viel Schmerzen kann uns die Liebe schenken,

Unser Blut aber bleibt noch sehr lange rot.

Und wenn wir gar kein Blut mehr haben,

Wenn man uns in die Grüfte tut;

Und sind wir noch so lang vergraben,

Für Schmerzen bleibt noch etwas Blut.

 

In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts schickte der französische Dichter, Filmregisseur und Maler Jean Cocteau ein paar Gedichte in deutscher Sprache an den Komponisten Kurt Weill, „Mon cher Kurt“. Er erinnere sich nur an das Deutsch seiner Kindheit. „Leider kenne ich eure Dichter nicht. Ich bin mit Erlkönig und Struwwelpeter erzogen worden. Verzeihen Sie mir daher, dass ich Ihnen diese naiven Gedichte anbiete. Ihre einzige Entschuldigung ist, dass Sie mich gebeten haben.“ Der Brief und 6 kurze Gedichte wurden in der in Amsterdam von Klaus Mann herausgegebenen Exilzeitschrift „Die Sammlung“ gedruckt.

Das erste Heft erschien im September 1933 und wurde im nationalsozialistischen Deutschland zwar nicht verkauft, aber aufmerksam gelesen von den Schergen des Regimes. Im Oktober schrieb Hanns Johst an seinen „lieben Heinrich Himmler“: „Als Herausgeber zeichnet der hoffnungsvolle Sproß des Herrn Thomas Mann, Klaus Mann. Da dieser Halbjude schwerlich zu uns herüberwechselt, wir ihn also nicht aufs Stühlchen setzen können, würde ich in dieser wichtigen Angelegenheit doch das Geiselverfahren vorschlagen. Könnte man nicht vielleicht Herrn Thomas Mann, München, für seinen Sohn ein bißchen inhaftieren? Seine geistige Produktion würde ja durch eine Herbstfrische in Dachau nicht leiden (…)“. Es kam nicht dazu – dem Büttel war entgangen, dass Thomas Mann schon im Februar Deutschland verlassen hatte. (Er wollte zurückkehren, aber seine Kinder überredeten ihn dringend, im Ausland zu bleiben).

 

 

 

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Das Gedicht „Blut“ von Jean Cocteau ist erschienen in: Die Sammlung. Literarische Monatsschrift. 1. Jahrgang, 1934, Heft X, S. 532

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur

Weiterführend Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.