Typfrage

 

Als Archiv der letzten Jahre wird es wohl kaum vermarktet, eher als Möglichkeit des günstigen Einkaufs, da werden gebrauchte Maschinen und anderer Haushaltskram, Schallplatten und alte Bücher neben der Ware verkauft, die in den letzten Tagen aus Versehen von irgendeinem Lastwagen gefallen ist. Auch wenn dies mit den modernen Warenwirtschaftssystemen zunehmend schwieriger wird. Ganze Transporter (oft von der Größe eines Sprinters) werden mit Waren aus irgendwelchen osteuropäischen Ländern, der Türkei oder woher auch immer beladen und die Trödelmarkthändler damit beliefert. Da gibt es dann Feuerzeugzehnerpacks zu kaufen, natürlich ohne Sicherung. Das dazu gehörige Gas mit zweifelhaft übersetztem deutschem Aufkleber oder als letzter Renner der Nachbau einer teuren LED-Taschenlampe. Hinter den Tischen hocken Händler, die vor allem auf eines aus sind, nämlich ihr kärgliches Auskommen zu verbessern, sie klopfen Spezialistensprüche, die den Preis treiben sollen und kennen sich untereinander. „Also diese Kamera wurde auf jeden Fall zwischen 1950 und 53 hergestellt… da gab es aber auch noch drei Abarten… seitliche Drehknöpfe… und ein aufsteckbares Objektiv… ja, das ist schon etwas Besonderes, da gibt es nicht mehr viele von, außerdem nur ein paar von gebaut worden…“ Selten sieht man dort diejenigen, die einfach nur alten Kram loswerden wollen, ohne ihn direkt in die Mülltonne zu werfen. Trödelmärkte haben auch noch Weiteres zu bieten, man kann auf ihnen soziologische Studien machen. Ihr Gutes, man kann auf ihnen die Zustände der Menschen studieren, wie sonst selten nur. Dies wäre doch mal ein schönes Feld für eine Dissertation, man könnte auch gar nicht so viel abschreiben, sondern müsste sich auf die eigenen Beobachtungen verlassen.

Abgesehen von den Verkäufern, die auch schon eine gewisse Vielschichtigkeit aufweisen, sollten hierbei besonders die Kunden ins Auge gefasst werden oder die Händler-Kunde-Kommunikation:

1.            die Familienausflügler sehen den Markt vor allem als Spaß, vielleicht kaufen sie etwas, wichtiger ist allerdings das Schauen, was es mal gab. Oft sieht man sie schon nach anderthalb Stunden abziehen, nachdem sie die fast obligatorische Currywurst-Pommes-rotweiß gegessen haben. Sie sind zufrieden mit dem Tag, weil man ihnen ein gutes Unterhaltungsprogramm geboten hat – für wenig Geld, denn der kleine Sohn, die kleine Tochter hat vielleicht ein billiges Spielzeug bekommen, welches höchstwahrscheinlich nicht lange halten wird, das war es.

2.            die Sammler erscheinen möglichst schon beim Aufbau des Marktes und inspizieren alles haargenau, vielleicht haben sie endlich mal wieder Glück und sie finden wieder ein ersehntes Stück zur Kaffeemühlensammlung. Einige haben sogar in Notizbüchern die Dinge stehen, die unbedingt noch gefunden werden müssen. Letztes ist vor allem bei Bücher-, Briefmarken-, Münz- und Schallplattensammlern der Fall.

3.            die Stöberer sind eine besondere Clique für sich, sie suchen das Besondere, wollen endlich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt sehen, einen echten Schatz finden. Man könnte sie als wahre Schatzsucher beschreiben. Sie haben ein recht umfangreiches Wissen über die Kunstgeschichte und können häufig sehr gut differenzieren.

4.            die Liebhaber genießen den Charme der Märkte und lieben es zu feilschen, wenn dabei schon mal ein Kauf herumkommt, dann ist das durchaus hinzunehmen, aber wer kann bei einer Kaiser-Idell-Leuchte für dreizehn Euro schon nein sagen?

5.            die Notkäufer brauchen noch schnell ein witziges Geschenk, Preis bis fünf Euro.

 

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019

Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das Geschehen verweist auf einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421