Ein Lyrik-Album aus dem Jenseits

Zuerst kam die Musik, anschließend entwickelte ich einige Wörter, die ich über die Melodie legen konnte, weil ich nur auf diese Weise die Melodie im Kopf behalten konnte. Häufig blieben mir dann nur die Texte in Erinnerung, und ich habe die Melodie wieder vergessen.

James Douglas „Jim“ Morrison

Eigentlich gilt Jim Morrison als Rockmusiker, der die Fantasien, Visionen, Ängste und die Selbstdestruktivität der Generation der späten 1960er Jahre artikulierte und exemplarisch auslebte. Er zählt zu den charismatischsten Persönlichkeiten der Rockmusik dieser Zeit. Gemeinsam mit den Doors erweiterte er das Repertoire der Rockmusik um mehrschichtige Konzeptstücke und Formen des Rocktheaters. Morrison, von dem zu Lebzeiten drei Gedichtbände veröffentlicht wurden, nutzte die Doors-Konzerte regelmäßig für spontane Rezitationen poetischer Texte, auch aus dem Band An American Prayer, den er 1970 im Selbstverlag herausgab.

Wenn meine Dichtung auf irgendetwas abzielt, dann darauf, die Menschen aus den Zwängen zu befreien, innerhalb derer sie sich sehen und fühlen.

Daran haben sich die übrigen Bandmiglieder sieben Jahre nach seinem Tod erinnert und brachten mit den Rezitationen von Morrison ein Musikalbum heraus. Über die Musik wurden Aufnahmen des 1971 verstorbenen Sängers Jim Morrison gelegt, der aus seinem ebenfalls mit An American Prayer betitelten Gedichtband rezitiert.

Lass den aufgeklärten Verstand in unserem Kielwasser zurück / du wirst Christus sein auf dieser Pauschalreise / –Geld schlägt die Seele– / Letzte Worte, letzte Worte / Aus

Da damals nicht das ganze Material auf eine LP passte, sind die kompletten Aufnahmen auf einer CD erschienen. Das Motiv der Produzenten mag befragbar sein, es ist eher eine Spekulation was aus den Doors hätte werden können, wäre ihr Sänger am 3. Juli 1971 in Paris nicht in den Club 27 eingetreten.

Da nur wenige eine Ausgabe von An American Prayer im Regal zu stehen haben, müssen wird uns mit den Lyrics begnügen, die von The Doors vertont wurden. Es ist nicht die schlechteste Wahl, denn wir hören, wie der Autor seine Gedichte selbst rezitiert. Das mag gespenstisch wirken, doch seit Benjamins Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ nehmen wir Kunst als einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag wahr. Weiter führt er an dieser Stelle aus, dass die Aura eines Kunstwerks durch die Kennzeichen Unnahbarkeit, Echtheit und Einmaligkeit geprägt ist.

 

 

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An American Prayer, Lyrik von Jim Morrison, erschienen 1970 im Selbstverlag (500 Exemplare).

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.