Nick Cave versuchte sich als Theoretiker des Songwritings. Im Auftrag der Schule für Dichtung in Wien hielt er eine Vorlesung, die auf der CD The Secret Life of the Love Song mit Songbeispielen nachzuhören ist. Darin formulierte Cave den Gedanken, dass ein Song immer auch Melancholie enthalten müsse. Caves Poetik weist eine Nähe zur Romantik auf, nach deren theoretischem Konzept jedes Kunstwerk durch Ironie gebrochen werden müsse.
(Wikipedia)
Es kommt selten vor, dass sich ein räudiger Punk-Rocker und eine Disco-Maus zusammentun und ein Bastard dabei herauskommt, der ein internationaler Hit wird. Selbstverständlich ist Where the Wild Roses Grow ein schmucker Schlager, der jedoch eher harmlos daherkommt, gegenüber dem Duett mit P.J. Harvey.
Das Album Murder Ballads war der größte kommerzielle Erfolg der Band, was höchstwahrscheinlich auf die unerwartete wiederholte Ausstrahlung des Videos Where the Wild Roses Grow auf MTV zurückzuführen ist. MTV nominierte Cave sogar für die Auszeichnung „Bester männlicher Künstler“ des Jahres, diese Nominierung wurde jedoch später auf Caves Wunsch hin zurückgezogen. Cave sagte später dazu:
Mir war irgendwie bewusst, dass die Leute das Album Murder Ballads kaufen würden, es sich anhörten und sich fragten: ‚Wofür zum Teufel habe ich das gekauft?‘ weil der Kylie-Song keinen wirklichen Hinweis darauf gab, wie die Platte tatsächlich war.
Yo! Mir geht es ähnlich, wäre da nicht Stagger Lee. Es ist ein Song, der daran erinnert, wohin es mit der Karriere von Cave hatte hingehen können, würde er heute noch Blues-Alben wie The Firstborn Is Dead machen, er wäre eine Legende.
Nobody wanted to make a blues record. So we made a record that was steeped in the blues but didn’t really have anything to do with the blues on a musical level.
Nick Cave
Auf dem Album The Firstborn Is Dead präsentierte Caves Faszination für den amerikanischen Süden mit seinen Anspielungen auf Elvis Presley und Bluesmänner wie Blind Lemon Jefferson. Das Album wurde jedoch nicht etwa in Memphis, Tennessee, sondern in den Hansa Studios, Berlin, aufgenommen. Cave sagte über dieses Album:
Berlin gab uns die Freiheit und die Ermutigung, zu tun, was immer wir wollten. Wir hatten drei Jahre in London gelebt und es schien, als würden die Leute ziemlich schnell anklopfen, wenn man den Kopf über den Tellerrand hinausstreckte.“ es wieder rein. Besonders wenn man Australier war, war es das Gegenteil. Die Leute sahen uns eher als eine Art Kraft denn als eine Art verrückte Neuheit.
Es fetzt los mit Tupelo, ein Song, der lose auf dem gleichnamigen Lied von John Lee Hooker basiert, das von einer Überschwemmung in Tupelo, Mississippi, handelt. Zugleich ist Tupelo auch der Geburtsort von Elvis Presley. Caves Lied enthält Bilder der Geburt von Elvis und die Apokalypse bei der Wiederkunft Christi. Das Motiv „Looky, Looky Yonder“, das in dem Lied vorkommt, ist jedoch von einem gleichnamigen Lied abgeleitet, das von Lead Belly aufgenommen wurde und normalerweise Teil eines Medleys ist, das Cave selbst singt und unter dem Titel „Black Betty“ gecovert hat.
See above for “Black Crow King.”
Auch des weiteren atmen die Songs eine deutlich stickige Bluesluft; was auch an der klaustrophobischen Situation in West-Berlin gelegen haben könnte, dass von der DDR umgeben war. Verknüpft mit dem New Wave-Zeitgeist ab Mitte der 80er Jahre haben die dürren australischen Punks unerreichbares Terrain betreten, somit haben sie eine irrisierende Mischung gefunden, die für die Bad Seeds während nächsten 15 Minuten zum Markenzeichen wurde. Funfact: Keines der Bandmitglieder verfügt über einen Background im Blues, und so kaperten die Band das Genre für ihr Vorhaben. Die Strukturen werden vereinfacht, die Akkordfolgen reduziert, die Rhythmik entrümpelt. So kommt eine punkige Klarheit und Prägnanz zum Vorschein
Eine Outlaw-Message unterstreich das düstere Temperament des Australiers.
Wanted Man ist eine sechsminütigen Nitroglycerin-Explosion, sie entstand aus einem von Bob Dylan und Johnny Cash komponierten Lied. Das Lied handelt von einem Flüchtigem, der seine Zuhörer bittet, ihn nicht zu verrate , falls er entdeckt wird, er erwähnt mehrere Städte und Staaten, in denen er gesucht wird, sowie andere nicht erwähnte Orte und mehrere Frauen aus seiner Vergangenheit, die ihn ausliefern wollen. Cave erhielt die Erlaubnis, den Text zu ändern und seine Boygroup, die Bad Seeds treiben ihn in seiner Misogynie in den Wahnsinn.
Doch wir haben nicht fertig, denn mit dem letzten Stück verneigt sich die Band gekonnt vor Blind Lemon Jefferson.
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The Firstborn Is Dead, Nick Cave and the Bad Seeds, 1985
Murder Ballads, Nick Cave and the Bad Seeds, 1996
Weiterführend → Der Musikkritiker Ben Watson bezeichnet „Zappas Mothers of Invention“ als „politisch wirksamste musikalische Kraft seit Bertolt Brecht und Kurt Weill“ wegen deren radikalem, aktuellen Bezug auf die negativen Aspekte der Massengesellschaft. So besehen war Frank Zappa neben Carla Bleys Escalator Over The Hill einer der bedeutendsten und prägendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Hören den Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Unpeinlich Deutsche Texte von Ton, Steine, Scherben. Wir ertasten auf KUNO den Puls des Motorik-Beats. War David Gilmour ein verkappter Blueser?
Des weiteren: Eine Sternstunde des Rock’n’Roll. Eine Betrachtung von Both Sides Now. Lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Ein Porträt der Gorgeous Queen of Ruhrgebeat-Trash. Warten nach Heavy metal thunder nicht auf den Blitz, um den Göttern des Donners eine Referenz zu erweisen. Thrash Metal ist das Resulthat der Verschmelzung der Energie und Geschwindigkeit des Hardcore Punk mit den Techniken der New Wave of British Heavy Metal. Wir verorten die erste Punk-LP mit dem Bananenalbum. Wann hört der Substance von Punk auf? Wann beginnt der Post-Punk? Ist das bereits New Wave? Und warum lässt sich ein isländischer Kobold nirgendwo einordnen?
Geschlagene 16 (in Worten Sechzehn) Jahre lang kursierten unter den gewöhnlich gut eingeweihten Szenenkennen diverse Gerüchte um das unveröffentlichte Album Gift aus dem Jahr 2000. Es sollte seinerzeit Pia Lunds zweites Solo-Album nach ihrer Trennung von Phillip Boa & The Voodooclub werden. Lundaland, ihr Solo-Debüt von 1999, hatte die Kultsängerin als elegante Vorreiterin des verspielten Elektrobeats etabliert. Charmant an den Ambient Chansons von Mona Lisa Overdrive sind die Stücke, auf denen die Sängerin Nicole Vogt dem Material mit einer etwas fernen, wehmütigen Stimme eine Seele einhaucht. Der Pyrolator aus Berlin erhielt in Anerkennung seines Lebenswerks das Hungertuch für Musik 2013. Eigentlich könnte: Dylan gut ohne den Nobelpreis für Literatur weiterleben und -arbeiten. Er ist auch kein genuiner Kandidat, insofern er halt kein ‚richtiger‘ Schriftsteller ist, sondern ein Singer-Songwriter. (Heinrich Detering)
Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch. Daher auch schnellstens der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe.