Himmelblau

 

Die Fenster stehen auf Kipp. Die Augen sind seit geraumer Zeit geöffnet. So liegt er im Bett, das Morgengezwitscher ist längst abgeebbt. Nur die Spatzen von gegenüber, zuweilen eine gurrende Taube und natürlich die unermüdliche Amsel lassen noch etwas von sich hören. Auch die große Blüte der Rose vor seinem Fenster ist schon vorüber. In den nächsten Tagen wird er sie schneiden müssen, dann blüht sie vielleicht noch einmal in einigen Wochen. Der Sommer ist da. Er schaut in den Himmel, keine Wolke zu sehen, auch kein Kondensstreifen von Flugzeugen. Kaum ein Flieger ist noch unterwegs. Kein Auto macht sich diesen Morgen auf den Weg. Kein Fußgänger ist bisher zu hören. Er mag diese Zeit kurz vor sechs morgens. Niemand stört ihn in seinen Gedanken und Erinnerungen. Bald wird sein Wecker klingeln. Solange kann er noch liegen und über alles nachdenken. Was heute zu tun ist natürlich, was gestern gut geklappt hat, was nicht. Wichtiger ist es, über das Gelungene nachzudenken, aber er bleibt meist an dem hängen, was nicht so sehr toll war. Das macht wohl die Erziehung. Er kann sich dem einfach nicht erwehren. Kurz schließt er die Augen, nur kurz und wird eine halbe Stunde später vom Wecker geweckt. Er schaut heraus, der Himmel ist blau, die Fenster stehen auf Kipp. So liegt er im Bett, das Morgengezwitscher ist längst abgeebbt. Nur die Spatzen von gegenüber, zuweilen eine gurrende Taube und natürlich die unermüdliche Amsel lassen etwas von sich hören. Am Himmel keine Wolke zu sehen.

 

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019

Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das Geschehen verweist auf einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421