ich besteige einen nachtzug und bleibe, da ich auf anhieb keinen freien platz finde, im gang stehen. der schaffner bemerkt dies sofort und geleitet mich, wortlos und mit wenigen, doch eindeutig wohlwollenden gesten, in ein abteil, das bereits von zwei etwa sechzehnjährigen jungen besetzt ist. und zwar im wörtlichen sinne. sie haben die sitze komplett heruntergeklappt, so daß sie darauf abwechselnd mit ausgestreckten und angewinkelten beinen sitzen können. spontan verteilt liegen kopfhörer, radio, bücher, zeitschriften, schachspiel, skatkarten, rotweinflaschen, colabüchsen, schokoladentafeln, kekse, verschiedene früchte und sandwiches umher. und es vergeht kaum ein augenblick, wo die beiden nicht nach einem dieser dinge greifen. und also unablässig wechselweise und synchron hören, lesen, spielen, trinken und essen. aber immer nur für momente, dann wird getauscht, und es kommt das nächste dran. sie reden ohne laute töne oder heftige gebärden miteinander, ja flüstern überwiegend sogar. und reichen dem andern jeweils herbei, was der gerade begehrt. der eine hält, während er in einer pornoillustrierten blättert, und selbst dabei nirgends verweilt, seinen plüschseehund im arm. plötzlich jedoch schaut er mich scharfblickend an, sagt »hatten wir dich nicht auch mit eingepackt?«, und zieht ein aus stein geschlagenes fleischermesser hervor.
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traumnotat aus reise im flug, von Holger Benkel, Verlag blaue Äpfel, Magdeburg 1995
Weiterführend →
In einem Kollegengespräch ergründeln Holger Benkel und A.J. Weigoni das Wesen der Poesie – und ihr allmähliches Verschwinden. Das erste Kollegengespräch zwischen Holger Benkel und Weigoni finden Sie hier.
kindheit und kadaver, Gedichte von Holger Benkel, mit Radierungen von Jens Eigner. Verlag Blaue Äpfel, Magdeburg 1995. Eine Rezension des ersten Gedichtbandes von Holger Benkel finden Sie hier.
meißelbrut, Gedichte von Holger Benkel, mit siebzehn Holzschnitten von Sabine Kunz und einem Nachwort von Volker Drube, Dr. Ziethen Verlag, Oschersleben 2009. Eine Rezension finden Sie hier.
Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013
Essays von Holger Benkel, Edition Das Labor 2014 – Einen Hinweis auf die in der Edition Das Labor erschienen Essays finden Sie hier. Auf KUNO porträtierte Holger Benkel die Brüder Grimm, Ulrich Bergmann, A.J. Weigoni, Uwe Albert, André Schinkel, Birgitt Lieberwirth und Sabine Kunz.