Von der Zwecklosigkeit

 

Warum er das macht, was er macht, ist ihm eigentlich nie so richtig klar geworden. Woher sollte er auch wissen, wer und was er eigentlich ist. Nun könnte der Erzähler ihm natürlich eine Eingebung verpassen. Er könnte ganz gemein sagen, dass Herr Nipp letztlich lediglich eine Figur ist. Dass alles, was er jemals dachte, von anderer Stelle quasi vorgemacht wurde. Aber wie traurig wäre das für einen Menschen, sei er auch lediglich Figur, zu erfahren, dass er nichts anderes als ein entsprungener Gedanke der Fantasie eines anderen Menschen ist. Viel geringere Dinge sind durchaus in der Lage zum Kern oder Fundament einer schlimmen Depression zu werden. Wie aber sollte ein Mensch reagieren, der ganz plötzlich erfährt, dass seine ganze Sinnsuche ein vergebliches Unterfangen ist, da alle Versuche, Sinn zu erhalten oder zu verstehen, eben nicht dem eigenen Denken entspringen. Der Erzähler muss sich seiner Verantwortung bewusst sein. Andererseits käme es im Falle der Aufklärung der Verhältnisse vielleicht zu einer Emanzipierung der Figur vom Erzähler. Aber auch das würde nichts nützen, denkt genau in diesem Moment Herr Nipp und der Erzähler kann es einfach nicht verhindern, vielleicht auch, weil der Gedanke an die Virtualität an sich schon eine unverschämte Verdrehung des realen Mächtespiels darstellt. Wenn nämlich der Erzähler ja gar nicht mein Erfinder ist, sondern auch der nur von einem Autor inthronisiert wurde, dann hat der auch nichts zu sagen. Herr Nipp könnte jetzt natürlich sowohl den Erzähler als auch den Autor ansprechen und eine Klärung der Verhältnisse einfordern, aber das lässt der Autor natürlich nicht zu, der sich seiner Macht bewusst ist. Aber auch der unterliegt ja Regeln, deren er sich nicht erwehren kann. Ja, denkt Herr Nipp, du kleiner Erzähler, du absolut kleiner Autor, ihr könnt mir mal den Buckel runterrutschen. Ich bin ich. Und sobald ich denke, bin ich.

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019

Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das Geschehen verweist auf einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421