Der im Dezember 1988 bezeichnenderweise in der Ultimate Akademie gegeründete KRASH-Verlag hat sich noch nie lediglich auf die Herausgabe konventioneller Bücher beschränkt. Das Büchermachen ist Teil eines mehrmedialen Kunstschaffens der von uns gebildeten Kerngruppe KRASH sowie befreundeter Künstler/innen aller Sparten, was sowohl öffentliche Aktionen umfaßt und insbesondere die Disziplinen Literatur, Video, Performance, Bildende Kunst.
Schon 1985 hatten wir mit der Herausgabe der Lit. & Kunstzeitschrift „ZeilenSprung“ (weitgehend unbekannten) Autoren und Künstlern eine Spielwiese für die interdisziplinäre Vermischung der Sparten installiert. Diese fand in den zum Erscheinen der einzelnen Ausgaben veranstalteten Präsentationen ihre analoge Fortsetzung in aktionistischen Live-Umsetzungen. Neben dem für zahlreiche Autoren fremden mixed-media-Prinzip bot „ZeilenSprung“ prinzipiell ein Forum für all das, was in der traditionellen Lit.landschaft aus marktwirtschaftlichen Erwägungen keinen Platz hatte.
Diese Kriterien fanden mit der Gründung des KRASH-Verlags ihre genuine Fortsetzung; die enge Zusammenarbeit mit dem Kölner Kunst-Underground wurde noch mehr forciert. Nach und nach wurde die Zusammenarbeit mit vielen Mitgliedern der Ultimate Akademie und den Künstlern des ultinets und mit diversen Schriftsteller-Generationen und -Szenen intensiviert. Bei der Verlagsgründung ersetzten zunächst Csaba Manfai und Erich Wilker die aus der Kerngruppe des „Zeilensprung“ ausgeschiedenen Jörn Loges (Video, Bühne), Monika Regelin, Anke Stahl und Khalid al-Maaly (heute al-kamel-verlag). Zeitweise eng begleitetet vom Düsseldorfer Autor A.J. Weigoni, mit dem wir die fast schon legendäre Gossenheft-Reihe im KRASH-Verlag begründeten, wechselten die mit KRASH kooperierenden Literaten und Künstler jeweils projektbedingt. Heute noch zählen auf Autorenseite die Berliner Autoren Jörn Luther und Frank Willmann dazu. Kooperationen mit weiteren, der Independent-Szene zugehörigen Verlagen bestehen mit Basisdruck/Berlin, PIPS/Bonn, Das fröhliche Wohnzimmer/Wien etc.
Die schon erwähnte Gossenheft-Reihe ist auf literarischer Seite neben der Plakatzeitschrift für Visuelle Literatur, FLYER, sicherlich das Verlags-Aushängeschild. Eingebunden in die Chiffren von Pulp (Fiction) & Pop präsentiert Deutschlands erste Garde von Jungliteraten seit 1989 experimentelle & heftige Lit. im Schundheftformat. Neben der Bedienung klassischer Schund-Genres wie Arzt-, Liebes-, Heimat-, Kriminalroman und einigen Themen-Compilations (Sex, Gewalt von Rechts) bildeten gerade im letzten Jahr Quasi-Dokumentationen lieterarischer Koop-Techniken den vorläufigen Höhepunkt der Reihe: Der triefend triviale „Roman der Sechs“ wurde über einen Zeitraum von 2 Jahren gemeinschaftlich von 5 KRASH-Autoren geschrieben. Schneller waren 4 Autoren aus Köln und Düsseldorf, die an nur 2 Tagen und in 2 Nächten mit Unterstützung des KRASH.-Netzwerkes ( das sich per Fax einschaltete) in 2 Galerien in den 2 Städten den Live-Roman „48 Stunden“ zu Papier brachten.
Neben den Visuellen (Multiple-)Editionen, die in vorliegender Dokumentation an anderen Stellen im Chronik-Teil ausführlich behandelt werden, wollen wir aus der Vielzahl der KRASH-Aktionen 2 hervorheben, die stellvertretend für die Live-Aktivitäten der letzten 12 Jahre stehen, tEXtile tEXte, die erste literarische Modenschau der Welt, basierend auf gleichnamiger Ausstellung von Aring, Ibsch, Pokoyski, Stahl und natürlich „Dichter in den Ring – Die Deutsche Literaturmeisterschaft“, 1993 wohl der erste große und in seiner, dem Sport entliehenen, dramaturgischen Geschlossenheit konsequenteste Slam auf deutschem Boden, der 1995, ebenfalls im Kölner Rhenania, seine Fortsetzung fand und auch 1997 ausgelobt werden wird.
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100 Jahre KRASH-Verlag Texte & andere Beiträge von: Roland Bergre, Daniele Buetti, Karen Duve, Horse Cock Kids, Hadayatullah Hübsch, Anja Ibsch, Ilse Kilic, R. J. Kirsch, Reinita Kosmos, Marcus Krips, Stan Lafleur, John Lotter, Jörn Luther, Jürgen M. Paasch, Bert Papenfuß, Detlef Opitz, Parzival, Rolf Persch, Dietmar Pokoyski, Claudia Pütz, Beate Ronig, Matthias Schamp, Klaus Sinowatz, Enno Stahl, A. J. Weigoni, Fritz Widhalm, Erich Wilker, Frank Willmann, Harald ‚Sack‘ Ziegler
Außerdem Bilder und Materialien von und mit: Rainer Aring, Yola Berbesz, Ingeborg Broska, Nini Flick, Ankha Haucke, Ruth Jäger, KritzKratz, Claudia Kühn, Die Kunstpiraten, Pietro Pellini, Ro.Ka.Wi., Svenja Schlichting, Hans-Jörg Tauchert, Endre Tot, Jo Zimmermann u.v.m.
mit einem Vorwort von Karl Riha
Weiterführend →
In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. Daher sei sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso endrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp.