Heimweg

 

Nacht aus Schlüsselblumen
und verwunschnem Klee,
feuchte mir die Füße,
daß ich leichter geh.

Der Vampir im Rücken
übt den Kinderschritt,
und ich hör ihn atmen,
wenn er kreuzweis tritt.

Folgt er mir schon lange?
Hab ich wen gekränkt?
Was mich retten könnte,
ist noch nicht verschenkt.

Wo die Halme zelten
um den Felsenspund,
bricht es aus der Quelle
altem, klarem Mund:

„Um nicht zu verderben,
bleib nicht länger aus,
hör das Schüsselklirren,
komm ins Wiesenhaus!

Reinen Fleischs wird sterben,
wer es nicht mehr liebt,
über Rausch und Trauer
nur mehr Nachricht gibt.“

Mit der Kraft des Übels,
das mich niederschlug,
weitet seine Schwinge
der Vampir im Flug,

hebt die tausend Köpfe,
Freund- und Feindgesicht,
vom Saturn beschattet,
der den Ring zerbricht.

Ist das Mal gerissen
in die Nackenhaut,
öffnen sich die Türen
grün und ohne Laut.

Und die Wiesenschwelle
glänzt von meinem Blut.
Deck mir, Nacht, die Augen
mit dem Narrenhut.

 

 

 

 

***

Zum Todestag von Ingeborg Bachmann erinnert KUNO an: Letzte, unveröffentlichte Gedichte, Entwürfe und Fassungen. Edition u. Kommentar von Hans Höller. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1998

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.