Der Pop-Shamane ist ein Mensch, der auf einen Kreis von Schülern, Sympathisanten oder Fans eine magische Wirkung ausübt. Dabei benutzt er eine alltagsweltliche und laxe, aber in keinem Fall flache oder gar unästhetische Sprache. Er verwendet Codes und Symbole der Massenkultur, und er arbeitet interaktiv, empfängt die Vibrations seines Publikums oder fordert es sogar direkt zum Mitmachen auf. Er ist ein Spezialist auf seinem Gebiet: Ökologie, Strafrecht, Punkmusik, Psychologie, Architektur oder Kulturmanagement. Die Sprecher von Bürgerinitiativen, Kleinkünstler und Off-Theaterregisseure und Intendanten, kleine und große Politiker, Volkshochschullehrer, freiberufliche Therapeuten, Sozialarbeiter, Uniprofessoren, Rockerbandenbosse, Techno-DJs und Obdachlosenzeitungsverkäufer können Pop-Shamanen sein. Der Pop-Shamane versucht seine Inhalte kraft seiner Aura an den Mann, an die Frau zu bringen. Indem er seine Sache als ganze Person verkörpert, inklusive Körpersprache, Privatleben, Geschäftsgebärden, Outfit und Unterbewußtsein…, erzeugt er ein Universum, wirkt auf seine Anhänger integrativ, und er ermöglicht jederzeit eine Antwort auf die Frage: „Wie würde er entscheiden?“ Dafür sind alle Medien geeignet: vom Flugblatt bis zum Fernsehen, von der Wohnzimmerlesung bis zum Parlamentssaal, die offene Straße, das eigene Projekt, der eigene Bauernhofkomplex.
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Pop-Schamanismus von Thomas Nöske und HEL, edition GALERIE VEVAIS; 1. Auflage Januar 1999
Einen Hinweis zu Clockwork Orwell. Über die kulturelle Wirklichkeit negativ-utopischer Science-fiction von Thomas Nöske, finden Sie hier.