Bei all dem Mist, der in letzter Zeit veröffentlicht wurde, war es eine besondere Freude, auf dieses Album zu stoßen… Kottke ist kein Neuzugang in der Page-Beck-Schule.
Carl Bauer
Nicht nur zahlreiche Gitarristen erinnern sich an das Armadillo Album als ihre erste Begegnung mit dem Fingerpicking einer Solo-Stahlsaitengitarre und dem modernen Konzept des Gitarristen/Komponisten Leo Kottke. Sein Debüt kam zustande, nachdem er eine Compact-Cassette an John Faheys Takoma-Label geschickt hatte. Es überrascht Kenner keineswegs, dass es in vielerlei Hinsicht an Faheys eigene Arbeit erinnert: die Synthese zahlreicher Einflüsse aus Blues, Pop, Klassik und Folk. Als junger Musikhörer half mir dieser Gitarrist einen eigenen Musikgeschmack zu entwickeln, es beeindruckte mich, wie Kottke so unterschiedliche Genres wie Folk, Country, Bluegrass und Blueseinflüsse zu einem charakteristischen Fingerpicking–Stil polyphoner Musik ineinander verschraubt, die zudem stark von der Bottleneck–Technik geprägt war. Titel wie Vaseline Mashine Gun sind zudem durch eine Selbstironie unterfüttert, die sowohl dem Rezensenten als auch dem Hörer ein Vergnügen bereiten.
Polyphoner Fingerstyle
Auf 6- and 12-String Guitar hören wir treibendes polyphones Fingerpicking. Selbst bei den schnellsten Tempi sind die Noten sauber und klar, zudem in einem unverwechselbaren Klang. Das Album wurde an einem Nachmittag genau in der Reihenfolge des Albums aufgenommen. Die meisten Tracks wurden in einem einzigen Take erstellt. Kottke hält nicht einmal inne, als er bei The Sailor’s Grave on the Prairie hörbar mit dem Slide auf den Gitarrenhals schlägt. Mich erinnert diese Vorgehensweise an eine andere Einspielung, die ich gleichfalls überaus schätze, Grete Sultans Einspielung der Goldberg Variationen. Die Pianistin kam 1959 in das Studio von David Hancock in N.Y.C., setzte sich an den Bösendorfer und spielte die Variationen ohne Noten in einem Take ein.
Zurück zum Klampfer, in den Liner Notes von Kottke heißt es:
Wir wussten nichts über die Reihenfolge, also ist die Aufnahme in der Reihenfolge, in der sie aufgenommen wurde … Die Aufnahme hat dreieinhalb Stunden gedauert, und das war alles, was ich tun musste. Was ich tun konnte, war, mich hinzusetzen und alles zu spielen, was ich je wusste.
Ebenso wie das Cover kann die Musik die unterschwelligsten Reflexionen hervorrufen oder einen in höchste Freude versetzen. Kottkes nah am Mikrofon platziertes, knackiges, aggressives und einfallsreiches Steady-Bass-Fingerpicking auf dieser LP von 1969 definierte den Markt für dieses Genre neu, das von Fahey und Robbie Basho Anfang und Mitte der 1960er Jahre erfunden und gefördert worden war. Auch dies ist ein ist ein Album, das aufmerksames Zuhören belohnt, Kottkes musikalische Meisterschaft verlangt danach, bemerkt zu werden.
Kottkes Art von Virtuosität ist jedoch beruhigender und angenehmer für das Ohr als die von Fahey. Es ist jedoch alles andere als kitschig, das reiche und resonante Zupfen deutet auf eine gewisse unterschwellige Unruhe hin, wie friedlich.Richie Unterberger
Beim Wiederhören fiel mir ein Stück besonders ins Ohr, an dass ich mich nicht erinnerte, Bachs Choral O Jesu, meine Freude, von Kottke beseelt interpretiert Ein ebenso freundvolles Wiederhören war diese Begegnung mit der Musik von Leo Kottke. Wofür das Gürteltier als Symbol steht, hat sich mir nicht erschlossen, wahrscheinlich ist es eine Anspielung auf die verhornten Fingerkuppen, der sicht- und spürbaren Erhärtung, dass Kunst letztlich dorch vom Können herkommt und jeden Schweißtropfen wert ist.
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6- and 12-String Guitar, Leo Kottke, 1969
Weiterführend → Rhythm & Blues lebt davon, dass die Ambivalenz bewahrt wird. Charakteristisch sind die verschiedenen künstlerischen Handschriften und Organisationsstrukturen. Dieses Album wurde veröffentlicht, als Country noch Country war, es gab kein Alternative, was das Rätsel aufgab, was genau man hörte. Die Cowboy Junkies nahmen Blues, Country, Folk, Rock und Jazz, verlangsamten es stark und schufen dabei etwas Neues. Wir betrachten die Geburtshelfer der Americana. Des Weiteren eine Versenkung in den tiefgründigen Folk-Song: Both Sides Now. Wahrscheinlich hat selten ein Musiker die Atmosphäre einer Stadt so akkurat heraufbeschworen wie Dr. John. Die Delta-Blues-Progression des Captain Beefheart muss dahinter nicht zurückstehen, eine gute Einstimmung für sein Meisterwerk Trout Mask Replica. Wir lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und dem letzten Werk der Doors, dem Abschied von Mr. Mojo risin’. Unterdessen begibt sich Eric Burdon auf die Spuren vom Memphis Slim. In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Lauschen dem Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Und stellen die Frage: Ist David Gilmour ein verkappter Blueser?