ich warte nicht mehr
auf die besseren zeiten
schwarzblauer himmel über uns
silbersterne dran
hand in hand mit dir
den fluss entlang bäume
links und rechts
sehnsucht auf den ästen
hoffnung im herz
ich räume mein zimmer auf
ich zünde eine kerze an
ich male ein gedicht
ich küsse mich
nicht mehr deinen körper entlang
durch deinen nabel hindurch
in deine träume hinein
meine liebe in deinem mund
dein feuer in meinem schoss
schweissperlen auf der haut
ich ziehe mich ganz warm an
ich zeichne die lippen rot
ich spreche mit den blumen
ich lausche nicht mehr auf ein zeichen von dir
hole deine briefe hervor
schaue deine bilder an
disskusionen mit dir bis nach mitternacht
visionen zwischen uns
kinder lachen uns zu
ich mache die fenster weit auf
ich schnüre die schuhe fest zu
ich nehme den hut
ich träume nicht mehr
in die einsame stunden
dein gesicht
in die zeit dein schatten
ist nur eine kalte gestalt
ich packe die erinnerungen ein
ich blase die kerze aus
ich öffne die tür
ich warte nicht mehr
auf die besseren zeiten
ich gehe auf die strasse hinaus
blütenduft auf der haut
den schirm in der hand
den fluss entlang
schwarzblauer himmel über mir
silbersterne dran
bäume
links und rechts
sehnsucht auf den ästen
hoffnung im herz
ich liebe dich
ich warte nicht mehr
***
Dieses Gedicht erschien im Buch “Nachtgesang” – Orlanda Verlag, 1996. May Ayim(1960-1996), ghanaisch-deutsche Dichterin, Wissenschaftlerin und politische Persönlichkeit, war eine der Vorreiterinnen der Schwarzen Deutschen Bewegung, die mit ihrer Forschung zur Geschichte und Gegenwart Afrodeutscher und mit ihrer politischen Lyrik im In- und Ausland bekannt wurde. Posthum sind ihr Gedichtband Nachtgesang und die Anthologie Grenzenlos und unverschämt erschienen, ebenso der Dokumentarfilm von Maria Binder “Hoffnung im Herz: Mündliche Poesie – May Ayim”.
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Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.