Rhein

 

Schwarz umrandete Punkte

auf der Haut, eine Art

eine Art Erkennungsmal für die Dichter,

auf einem granitenen Sockel

eine unlesbar gewordene Schrift,

moosversteppt,

ein Schrägblock

für ein nahe Null gebrachtes Regiment,

der General mit dem deutschen Namen,

der reichlich Jugend opferte

gegen die achtzig Selbstmörder

im Intarsienschutt,

in dem Marmorgebrest,

wo Blücher

den Rhein überschritt

und der bejubelten Besatzung

ein Ende setzte, der Strom

fließt nur noch rückwärts,

versinkt in den Quellen

zertrümmert die Ufer

verdampft

unter der Erde, die grauen Haare

von Wandergruppen, mehr nicht

mehr nicht sichtbar

vom oberen Weg aus,

die Promenade

zurück:

noch einmal Kindermatrosen,

die Jagdhunde

ohne Begeisterung für die Zukunftsflotten,

eher für wirbelnde Stöckchen

und den Ulanenstoff,

nicht einmal die Hunde

und das Gebell der Hunde

können ohne Stein bleiben,                                                                                . . .

sind schon weg,

Jahre weiter

unseren Abwärtsfluß hinunter,

die Rufe der Kinder

halb irgendwas: „Dein Bruder

schlägt sich“, gehen wir mal,

„dein Bruder

wird gerade erschlagen“,

wir wollen doch gehen,

weiter, Filmaufnahmen

von Wasser, dessen Bewegung

noch auf dem Schirm

sein wird, das keine

Schilde trägt, keine Benamsung,

Wasser, das kaum anders wurde,

unter der Uferkorrektur

unter dem Schwebeschiff,

Augentrost den Fremden, die sich an Händen halten

und den Fremden auch, die einzeln

daneben sind, Alteingesessene

die sich selbst kennen

und daran

sich kräftig verschlucken,

Lähmungsvorboten

im Schreibarm, „Sie können

vielleicht noch Befehle geben,

solange

der Kopf noch mitspielt,

aber stellen Sie

alles ab auf das Ende,“

Kinderphotographierer

an einer Abraumhalde, ehe

der schwarze bunte Zauberer

ihr Bild zerreißt

und auf Grillspieße aufteilt,

ehe der Fluß

die Lippen schluckt.

       Koblenz, 3. Juli 1999

 

 

***

„FLÄCHEN, BILDER. Gedichte 1998-2013. WERKE Band 2“, mit einem Vorwort des Germanisten Ángel Repáraz, Madrid (407 Seiten, fester Einband, Lesebändchen, 22 x 17 cm, 24,90 €, ISBN 9783744888950).

„Der vorliegende Band ist strukturiert worden, so der Eindruck eines etwas naiven Lesers, von den langsam stroemenden Lawinen der Zeit. Es gibt kurze Gedichte, die an Stossgebete erinnern, und viele andere, die auf langen, teilweise rhythmischen Zeilen reiten. Verfaßt buchstaeblich in ganz Europa: Auf einer und derselben Seite findet sich ein in Bukarest und ein zweites auf dem Lido von Venedig datiertes Gedicht . . . Besonders hervorzuheben sind die Liebesgedichte, in denen die kosmische Seltenheit, die unter dem Namen gelungener Liebe segelt, gefeiert wird.“

Ángel Repáraz

 

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