Der nonkonformistische Intellektuelle

Nonkonformismus, Freiheit, innere Unabhängigkeit von den Tendenzen der Welt lassen in der Tat als christliche Momente sich begreifen.

Wolfgang Kraushaar

 

Das Wort der Nonkonformität hat sich scheinbar verflüchtigt, weil heutzutage das Schrille und gestelzt „Selbstbewusste“ als Norm, gar reiner Zwang erscheint – und wo Widerständigkeit Gestalt annimmt, also von der Sache her alte Nonkonformität sich artikuliert, wird ihr gänzlich der Boden unter den Füßen weggezogen, indem die Intellektuellen.

Alex Demirovic untersucht die theoriepolitischen Aktivitäten der Kritischen Theorie in den fünfziger und sechziger Jahren. Dazu gehören Forschung und Lehre, aber auch die Veröffentlichungspraxis, das Engagement in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Kampf um die Institutionalisierung des Soziologiestudiums und das Verhältnis zur Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie. Demirovic geht stärker auf die Personen und nicht so sehr auf die Schule ein, aber die externe Perspektive, die sich aus dem Verzicht auf „Schulgeschichtsschreibung“ ergibt, hat Demirovic als Chance genutzt und die Theorie- wie Institutionsgeschichte der Frankfurter Schule im Nachkriegs-Deutschland rekonstruiert, miteinander verflochten und analysiert. Anders als bisherige Historiographen des berühmten Instituts geht Demirovic davon aus, dass Horkheimer und Adornos Bemühungen um eine vernunftskritische Wissenschaft keineswegs zum Zierrat der restaurativen Gesellschaft verkommen waren. Demirovic hat sich durch die Protokolle der Gesellschaft für Soziologie und durch die Seminarprotokolle der Frankfurter gekämpft, nebenbei ein brauchbares Handbuch der Kritischen Theorie erstellt und vor allem erfolgreich dargelegt, wie sich ihre Protagonisten nicht nur wissenstheoretisch, sondern ganz praktisch um die Etablierung des „Typus des nonkonformistischen Intellektuellen“ bemüht haben. So entstand ein Schulzusammenhang, der nicht nur wissenschaftlich und kulturell, sondern auch politisch einflußreich wurde, insofern er die Diskussionen im SDS und die Entwicklung der Protestbewegung in den sechziger Jahren prägte.

 

 

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Der nonkonformistische Intellektuelle: Die Entwicklung der Kritischen Theorie zur Frankfurter Schule von Alex Demirovic. suhrkamp taschenbuch wissenschaft) Taschenbuch – 23. August 1999

Weiterführend

Obwohl die nonkonformistische Literatur ehrlich und transparent zugleich sein wollte, war gegen Ende der 1960er nur schwer zu fassen, die Redaktion entdeckt die Keimzelle des Nonkonformismus in der die Romantiker-WG in Jena. Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.

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