Jener kleinere verbogene Mann
mit dem kurzen ins Graue geratenen Bart,
der Kaninchen hielt
im Stall vor den Rosen,
seine Frau
mußte sie schlachten,
und nie, nicht ein einziges Mal
sah er ihr zu,
„ich kann das nicht,
ich kann nicht
mit mehr als drei Menschen sprechen
und wenn es auch nur ein einziger Fremder ist,
schweige ich,
nicht
daß ich es wünsche
oder mir aussuchte,
ich wollte
ein anderer sein
und ich selbst“
und war
nicht das, nicht das
kein Damast,
kein tausendpromilliges Silber,
keine Römer in sieben Farben,
nur ein Erinnern
in spukigen Träumen,
„wir,
müssen Sie wissen, waren
eine Familie, so alt fast
wie die Welt, wir hatten
ein Schloß an dem Übergang
von dem Gebirge meerwärts, die Wölfe
heulten hier in den gepanzerten Nächten,
die Vögel der Nacht
zerschnitten das Echo der Sommerglut, . . .
niemals
dachten wir einen Schritt zu tun
rückwärts, nicht
als erster der Flucht,
nicht als Spiel oder Finte, die Ketten
waren uns eingewachsen, unsere Fersen
brannten ein in die Erde,
diese Erde, die für niemanden sonst war,
nur ein Zwischengrund
für verziehende Truppen, für Reisende und zügige Gäste, und doch
war es einer aus der endlosen Folge
der ein Ende setzte
dort
tief im Süden
dort
weit im Osten, einer
der fliehen mußte und der floh, einer, der nichts rettete
als ein totes Leben, einige Lumpen, eine Handvoll
trüber Souvenire,
eben einer,
der vertrieben wurde
oder er mußte fliehen, Blut an den Händen,
Blut eigener Leute,
oder einer
der sich verriet, der seinen wahren Namen
verraten hatte
und ihn in Jahren vergaß
Limburg, 8. 12. 1999
***
„FLÄCHEN, BILDER. Gedichte 1998-2013. WERKE Band 2“, mit einem Vorwort des Germanisten Ángel Repáraz, Madrid (407 Seiten, fester Einband, Lesebändchen, 22 x 17 cm, 24,90 €, ISBN 9783744888950).
„Der vorliegende Band ist strukturiert worden, so der Eindruck eines etwas naiven Lesers, von den langsam stroemenden Lawinen der Zeit. Es gibt kurze Gedichte, die an Stossgebete erinnern, und viele andere, die auf langen, teilweise rhythmischen Zeilen reiten. Verfaßt buchstaeblich in ganz Europa: Auf einer und derselben Seite findet sich ein in Bukarest und ein zweites auf dem Lido von Venedig datiertes Gedicht . . . Besonders hervorzuheben sind die Liebesgedichte, in denen die kosmische Seltenheit, die unter dem Namen gelungener Liebe segelt, gefeiert wird.“
Ángel Repáraz
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Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den wichtigsten identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.