Langsamer werden die Winterstürme… Schon wieder will ich viel zu schnell den Sommer, viel zu früh habe ich den Frühling in mir – wie vor drei Jahren, als wir am Vorabend des Valentinstags in Köln beim Italiener Espresso tranken. Nach der Oper. Wir analysierten Neues vom Tage. Hindemiths Oper überraschte uns. Dann stießen wir mit unseren kleinen Tassen auf die Eröffnung des neuen Zeitalters an.
Der Abend war unfasslich mild, in meinem Kopf war der letzte Schnee geschmolzen. Am nächsten Morgen fuhr ich in den Sonnenaufgang, der Wagen schoss auf eisglatter Straße mit hohem Tempo in eine Obstplantage bei Altendorf. Der Wagen überschlug sich im Straßengraben, ich sah durch die kahlen Äste den Himmel. Dann stand er wieder auf seinen Rädern, alle Reifen platt, unter den Bäumen. Mir geschah nichts. Das Auto war Schrott.
Erinnerst du dich, wie ich vor einem Jahr im September in die Lahn fiel, als wir zu dritt den Canadier nicht steuern konnten? Meine Uhr ertrank im schlammigen Wasser der Lahn, stand still und galt monatelang als klinisch tot, irreparabel. Doch nun gelang einem Godesberger Uhrmachermeister die Reparatur, ein alter Freund aus Abendschultagen, der heute Juwelier ist, vermittelte mir die teure Renovierung. Der (zierliche) Anker der Uhr war kaputt, ein Zahnrad dazu, sonst nichts, aber das ganze versandete Uhrwerk musste auseinandergenommen werden. Die Uhr geht nun täglich auf zwanzig Sekunden genau, so genau wie nie zuvor! Und ich habe das Gefühl: Ich habe mit meiner verloren geglaubten Uhr mein Leben zurückerhalten.
[An Arthur Breinlinger 12.2.2000]
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Ulrich Bergmann nennt seine Kurztexte ironisch „gedankenmusikalische Polaroidbilder zur Illustration einer heimlichen Poetik des Dialogs“. Wir präsentieren auf KUNO eine lose Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente. Lesen Sie zu seinen Arthurgeschichten den Essay von Holger Benkel. Eine Einführung in seine Schlangegeschichten finden Sie hier.