Da sitzen drei im Atelier, es hat sich einfach so ergeben. Das ist keine eingerufene Sitzung, sondern ein Zusammensitzen aus Sympathie, das geht nicht mit jedem. Schon einmal in ähnlicher Konstellation in letzter Woche, damals allerdings mit grandios ästhetischer Aufwertung. Die drei Künstler sitzen im Werkraum des einen, ungefähr hundertfünf Meter im Quadrat, aber sie nutzen nur die Ecke, der eine rotiert ständig auf einem alten Bürostuhl, fühlt sich wohl in seiner Rolle als unbemerkter DJ, der die Stimmungen ein wenig mit lenken kann, mal dies spielt, auch Johnny Cash, oder jenes, dann wohl moderne E-Musik. Der andere besetzt einen Freischwinger, wohl von der Firma Mauser aus den vierziger oder fünfziger Jahren, mit grünem Bezug. Der letzte hat einen einfachen Stuhl okkupiert. Sie reden und lamentieren über ihre Lieblingsthemen, Kunst natürlich; steht immer als Auslöser für alles im Mittelpunkt, die neue Kulturwoche, die mit schmalem Budget realisiert werden wird. Die Welt und ihre Wahrnehmung, andere Künstler aus der Abteilung, Hobbyartistik und Interessen- konfliktpotentiale. Filme werden kritisiert, die finanziellen Mög- lichkeiten und Umgang mit Medien. Was kann man machen, was müsste man machen und was macht man wirklich? Zwischen angespannter Disputation und herzerfrischendem Lachen krümmen und beugen die drei die Wörter …sie müssen seit ewiger Zeit be- freundet sein, nicht auf Facebook, anderen sozialen Netzwerken, sondern ganz real, so vertraut scheinen sie.
Als Herr Nipp nach langem Abend mit tausenden von Ideen leicht schwankend die Treppen heruntersteigt, wird ihm plötzlich bewusst, dass der Jüngste gerade mal achtundzwanzig, der Mittlere über vierzig, der Älteste aber über sechzig Jahre alt ist. Über die Generationen hinweg kann man echte Freundschaften bilden, man darf nur keine Angst haben.
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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019
Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das Geschehen verweist auf einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.
Weiterführend →
Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.
Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421