Anfangs waren die Talking Heads eine der vielen Band aus dem Umfeld des CBGB. Ihre frühe Musik ist geprägt von einfachen Figuren und Rhythmen, die jedoch oft gebrochen werden und so oft sehr unruhig wirken. Ihre Musik ist auf ein einfaches Gerüst reduziert, die jeweiligen Songs werden zwar raffiniert, aber schnörkellos und einprägsam auf den Punkt gebracht. Zusammen mit dem nervös, hektisch und überspannt wirkenden Gesang David Byrnes ergibt sich eine lebhafte, aber auch irritierende Musik. In 77 sticht vor allem der Song Psycho Killer hervor. Byrne schlüpft darin in die Rolle eines geistig verwirrten Mannes, der mitten im Song unvermittelt vom Englischen ins Französische fällt. Was den Song aus dem Punkeinerlei hervorhebt, ist die prägnante Basslinie von Tina Weymouth.
Es sollte zwei Jahre dauern, bis die Band ein ähnlich prägnantes Stück im Programm hat. Hugo Balls Lautgedicht Gadji beri bimba wurde von den Talking Heads vertont und erschien 1979 unter dem Titel I Zimbra auf dem Album Fear of Music. Der rhythmische Sprechgesang, vorgetragen von David Byrne, wurde dabei mit einem afrikanischen Groove unterlegt. Die Anregung die europäische Avantgarde mit afrikanischen Grooves eines Fela Kuti zu verschmelzen hat die Band vor allem den Produzenten Brian Eno zu verdanken. Die Bromance zwischen Byrne und Eno ist das polyrhythmische Meisterwerk Remain in Light zu verdanken.
Entscheidende Vorarbeiten dazu sind auf dem Album My Life in the Bush of Ghosts zu hören auf dem Eno und Byrne zu hören (auf dem das Duo en passant das Sampling erfand), dass vor dem Album der Talking Heads entstand, wegen der Klärung der Rechte aber erst danach erscheinen konnte.
Unterdessen wurde den Bandmitgliedern klar, dass das Songwriting bisher größtenteils in Byrnes Verantwortung lag und dass sie es satt hatten, Sänger und Begleitband zu sein. Das Ideal, das die band im Aufnahmestudio der Bahamas anstrebte, bestand darin, ihre Egos für die gegenseitige Zusammenarbeit zu opfern. Byrne wollte der psychologischen Paranoia und der persönlichen Qual entfliehen, die er in New York verspürt und über die er geschrieben hatte. Anstatt Musik zu Byrnes Texten zu schreiben, führte die Gruppe ausgedehnte Instrumental-Jams auf und nutzte dabei den Fear of Music-Titel „I Zimbra“ als Grundlage. Mit Eno experimentierte die Band mit der gemeinschaftlichen afrikanischen Art des Musizierens, bei dem einzelne Teile als Polyrhythmen ineinandergreifen.
Alsdann erforderte die Entstehung des Albums zusätzliche Musiker, insbesondere Schlagzeuger. Die Talking Heads verwendeten während des gesamten Studioprozesses den Arbeitstitel Melody Attack, nachdem sie eine gleichnamige japanische Spielshow gesehen hatten. Laut Harrison besteht das Ziel darin, Rock- und afrikanische Genres zu vermischen, anstatt einfach nur afrikanische Musik zu imitieren. Enos Produktionstechniken und sein persönlicher Ansatz waren der Schlüssel zur Konzeption der Platte. Der Prozess war darauf ausgerichtet, den Ausdruck von Instinkt und Spontaneität zu fördern, ohne sich offen auf den Klang des Endprodukts zu konzentrieren.
Loops spielten eine Schlüsselrolle in einer Zeit, als Computer solche Funktionen noch nicht ausreichend erfüllen konnten. Abschnitte und Instrumentals wurden einzeln in einem diskontinuierlichen Prozess aufgenommen. Die Talking Heads entwickelten Remain in Light, indem sie Jams aufnahmen, die besten Teile isolierten und lernten, sie wiederholt zu spielen. Die Grundstücke konzentrierten sich ausschließlich auf Rhythmen und wurden alle in einer minimalistischen Methode mit nur einem Akkord vorgetragen. Jeder Abschnitt wurde als langer Loop aufgenommen, um die Erstellung von Kompositionen durch unterschiedliche Positionierung oder Zusammenführung von Loops zu ermöglichen.
Die Texte wurden geschrieben, als die Band in die USA zurückkehrte, in New York City und Kalifornien. Harrison buchte Talking Heads bei Sigma Sound, das sich hauptsächlich auf R&B-Musik konzentrierte, nachdem er die Besitzer davon überzeugt hatte, dass die Arbeit der Band ihnen eine neue Art von Klientel bescheren könnte. In New York City kämpfte Byrne unterdessen mit einer Schreibblockade, Harrison und Eno verbrachten ihre Zeit damit, die auf den Bahamas aufgenommenen Kompositionen zu optimieren, und Frantz und Weymouth erschienen oft nicht im Studio. Es kamen Zweifel auf, ob das Album fertiggestellt werden würde, die erst nach der Rekrutierung des Gitarristen Adrian Belew auf Wunsch von Byrne, Harrison und Eno zerstreut wurden. Belew wurde geraten, den Compass Point-Tracks Gitarrensoli hinzuzufügen und dabei zahlreiche Effektgeräte und einen Roland-Gitarrensynthesizer zu verwenden. Belew trat auf den Titeln auf, die zu „Crosseyed and Painless“, „The Great Curve“, „Listening Wind“ und „The Overload“ werden sollten.
Byrne nahm die Rohmischungen auf einer Kassette auf und improvisierte darüber auf einem tragbaren Tonbandgerät. Er versuchte, lautmalerische Reime im Stil von Eno zu schaffen, der glaubte, dass der Text niemals im Mittelpunkt der Bedeutung eines Liedes stehe. Byrne hörte sich ununterbrochen seine aufgezeichneten Scattings an, bis er überzeugt war, dass er „keinen Unsinn mehr hörte“. Nachdem er zufrieden war, lud Harrison Nona Hendryx zu Sigma Sound ein, um Backing-Vocals für das Album aufzunehmen. Byrne, Frantz und Weymouth berieten sie ausführlich bei ihrer Gesangsdarbietung und sang oft im Trio mit Byrne und Eno. Der Blechbläser Jon Hassell, der mit Byrne und Eno an „My Life in the Bush of Ghosts“ gearbeitet hatte, wurde engagiert, um Trompeten- und Horn-Overdubs zu spielen. Im August 1980 wurde die Hälfte des Albums von Eno, dem Toningenieur John Potoker und Harrison in New York City gemischt, während die andere Hälfte von Byrne und Jerden in den Eldorado Studios in Los Angeles gemischt wurde.
Remain in Light wurde als New Wave, Post-Punk, Worldbeat, Dance-Rock, Art Pop beschrieben. Es ist eine dichte Mischung aus afrikanischer Percussion, Funk-Bass und Keyboards, Popsongs und Elektronik“. In der Endabmischung enthält das Album enthält acht Songs mit einem auffallend frei-assoziativen Gefühl. Wie auch die anderen Titel nimmt der Album-Opener „Born Under Punches (The Heat Goes On)“ Anleihen beim „Predigen, Schreien und Schimpfen“. Der im Titel verwendete und im Refrain wiederholte Ausdruck „And the Heat Goes On“ basiert auf einer Schlagzeile der New York Post, die Eno im Sommer 1980 las, während Byrne den Songtitel „Don’t Worry About the Government“ umschrieb „aus dem Debütalbum 77, in den Text „Look at the Hands of a Government Man“. Obwohl das unorthodoxe Gitarrensolo oft Adrian Belew zugeschrieben wird, wurde es tatsächlich von Byrne durch Manipulation einer digitalen Verzögerungseinheit von Lexicon Prime Time aufgeführt.
Die erste Seite enthält die rhythmischeren Lieder „Born Under Punches (The Heat Goes On)“, „Crosseyed and Painless“ und „The Great Curve“, die lange instrumentale Zwischenspiele enthalten. „The Great Curve“ enthält ausgedehnte Gitarrensoli von Belew, die ersten Beiträge, die er während seiner Zeit im Studio machte. Belew spielte das Solo mit Hilfe von vier Effektpedalen: einer Electro-Harmonix Big Muff-Verzerrungseinheit, einer Alembic Strat-o-Blaster-Reverb-Einheit, einem Equalizer und einem Electro-Harmonix Electric Mistress Flanger.
Die zweite Seite enthält eher introspektivere Lieder. „Once in a Lifetime“ ist eine Hommage an frühe Rap-Techniken und die Musik der Velvet Underground. Der Titel hieß ursprünglich aufgrund seiner Komposition „Weird Guitar Riff Song“. Es war als einzelnes Riff konzipiert, bevor die Band ein zweites hinzufügte; Eno wechselte acht Takte jedes Riffs mit den entsprechenden Takten seines Gegenstücks ab. „Houses in Motion“ beinhaltet lange Blechbläsereinsätze von Hassell, während „Listening Wind“ arabische Musikeinflüsse aufweist und Belew über die Electric Mistress strukturelle Inhalte hinzufügt und „den Klang nach oben und unten biegt, während er an einer Verzögerung und der Lautstärkeregelung arbeitet.“ Gitarre“. „The Overload“ bietet „Tribal-cum-Industrial“-Beats, die hauptsächlich von Harrison und Byrne kreiert wurden, neben Belews „knurrenden Gitarrenatmosphären“.
Die rhythmische Schimpftirade in „Crosseyed and Painless“ – „Fakten sind einfach und Fakten sind klar. Fakten sind faul und Fakten sind spät“ – ist vom frühen Hip-Hop beeinflusst, insbesondere von „The Breaks“ von Kurtis Blow, das von Byrne von Frantz. „Once in a Lifetime“ lehnt sich stark an die Hetzreden der Prediger an. Während einige Kritiker das Lied als „eine Art vorausschauenden Seitenhieb auf die Exzesse der 1980er Jahre“ betrachteten, war Byrne mit der Kategorisierung nicht einverstanden und bemerkte, dass der Text wörtlich zu verstehen sei: „Wir sind größtenteils unbewusst. Wissen Sie, wir operieren zur Hälfte.“ wach oder auf Autopilot und am Ende, was auch immer, mit einem Haus und einer Familie und einem Job und allem anderen, und wir haben uns nicht wirklich gefragt: ‚Wie bin ich hierhergekommen?‘.“
Byrne hat den endgültigen Mix des Albums als ein „spirituelles“ Werk beschrieben, „freudig und ekstatisch und doch ernst“; Er hat darauf hingewiesen, dass es am Ende „weniger Afrikanismus in Remain in Light gab, als wir angedeutet haben … aber es war weitaus wichtiger, die afrikanischen Ideen zu vermitteln als bestimmte Rhythmen“. Laut Eno verbindet die Platte auf einzigartige Weise Funk mit Punkrock und New Wave. Keine der Kompositionen enthält Akkordwechsel, sondern beruht auf der Verwendung unterschiedlicher Harmonien und Gegenmelodien über Orgelpunkten. „Spinnenartige Riffs“ und vielschichtige Bassgitarren- und Percussion-Tracks kommen häufig zum Einsatz
Mit diesem Album waren die Talking Heads hörbar auf ihrem künstlerischen Zenit angekommen. Ein Live-Konzert aus Rom, das kürzlich noch auf Youtube zu sehen war, zeigt sie auf ihrem Peak. Zwar sollte es noch einen Konzertfilm unter der Regie von Jonathan Demme geben, doch der demonstriert mit einer choreographierten Mary Wigman-Parodie eher den Rückschritt von der Avantgarde zu den Gesamtkunstwerks-Thesen eines Richard Wagner. Aber nun gab es auch keinen Brian Eno mehr, der David Byrne davor hätte warnen können.
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Remain in Light, Talking Heads, Oktober 1980
My Life in the Bush of Ghosts, ist ein im Februar 1981 veröffentlichtes Projektalbum von Brian Eno und David Byrne. In der Version auf CD finden sich (als Seite 3) zusätzliche Klangexperimente, die den Produktionsprozess aufhellen.
Weiterführend → Der Musikkritiker Ben Watson bezeichnet „Zappas Mothers of Invention“ als „politisch wirksamste musikalische Kraft seit Bertolt Brecht und Kurt Weill“ wegen deren radikalem, aktuellen Bezug auf die negativen Aspekte der Massengesellschaft. So besehen war Frank Zappa neben Carla Bleys Escalator Over The Hill einer der bedeutendsten und prägendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Gehört Miles Davis nicht dazu? Oder ist Fake Jazz das Eigentliche?
In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Hören den Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Unpeinlich Deutsche Texte von Ton, Steine, Scherben. Wir ertasten auf KUNO den Puls des Motorik-Beats. War David Gilmour ein verkappter Blueser?
Des Weiteren: Eine Sternstunde des Rock’n’Roll. Eine Betrachtung von Both Sides Now. Lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und im Vergleich dem Lizard-King. Erweiternd ein Porträt der Gorgeous Queen of Ruhrgebeat-Trash. Wir warten nach Heavy metal thunder nicht auf den Blitz, um den Göttern des Donners eine Referenz zu erweisen. Thrash Metal ist das Resulthat der Verschmelzung der Energie und Geschwindigkeit des Hardcore Punk mit den Techniken der New Wave of British Heavy Metal. Wir verorten die erste Punk-LP mit dem Bananenalbum. Oder war es doch der Garagenrock? Wann hört der Substance von Punk auf? Wann beginnt der Post-Punk? Ist das bereits New Wave?
The oldest sister with transistors was Laurie Anderson. Ihre jüngere Schwester im Geiste ist ein isländischer Kobold. Charmant an den Ambient Chansons von Mona Lisa Overdrive sind die Stücke, auf denen die Sängerin Nicole Vogt dem Material mit einer etwas fernen, wehmütigen Stimme eine Seele einhaucht. Geschlagene 16 (in Worten Sechzehn) Jahre lang kursierten unter den gewöhnlich gut eingeweihten Szenenkennen diverse Gerüchte um das unveröffentlichte Album Gift aus dem Jahr 2000. Es sollte seinerzeit Pia Lunds zweites Solo-Album nach ihrer Trennung von Phillip Boa & The Voodooclub werden. Lundaland, ihr Solo-Debüt von 1999, hatte die Kultsängerin als elegante Vorreiterin des verspielten Elektrobeats etabliert. Der Pyrolator aus Berlin erhielt in Anerkennung seines Lebenswerks das Hungertuch für Musik 2013. Eigentlich könnte: Dylan gut ohne den Nobelpreis für Literatur weiterleben und -arbeiten. Er ist auch kein genuiner Kandidat, insofern er halt kein ‚richtiger‘ Schriftsteller ist, sondern ein Singer-Songwriter. (Heinrich Detering)
Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch. Daher auch schnellstens der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe