jede liebeserklärung enthält einen virus
jeder virus enthält eine andere facette der wirklichkeit
die darauf beharrt salz auf die wunde des rechten zeigefingers
zu streuen
die heutige wirklichkeit ist identisch mit der von gestern
nur steht sie etwas näher
jener wirklichkeit der niemand entgeht
ein virus ists ach ein virus so steht geschrieben auf ihrem
halbblinden bild/ und alle
schieben die schuld auf den verfall der sprache
das politische chaos bei den nachbarn/ kann
uns was immer sagen
und es sagt es so schön daß wir ihm wirklich glauben
meine heutige realität ist dein hungriges pferd
wenn es zur plünderung einbricht in meine poeme
jener akt der mich verurteilt nicht wissend daß du mein schicksal teilst
die wunde des rechten zeigefingers
wird sich nie schließen
das fühle ich und werde auch nicht versuchen
zu verhindern daß der nagel des linken zeigefingers
immer wieder neu die wunde aufreißt
(Aus rumänischen von Dieter Schlesak)
* * *
Eine Vorschau auf: JOCURI ERO(T)ICE -(H)ERO(T)ISCHEN SPIELE Gedichte, Verlag Marineasa, Temeswar, 2001
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.