Im eigentlichen Ziergarten, Neudeutsch Wellnessgarten, ein Gemüsebeet integriert zu haben, welches auf den ersten Blick gar nicht so aussieht, hat gewisse Vorteile. Immer wieder kommen von wahren Gartenkennern interessierte Fragen, was dies denn und jenes für Blumen seien und vor allem, welche Blüten diese trügen, manchmal kann es einem dabei überkommen, dass man einfach mal irgendeinen Blödsinn erzählt. Herr Nipp würde auf eine solche Idee natürlich niemals kommen, er versucht geradeheraus zu sagen, was sich dort befindet. „Das ist ein geschossenes Radieschen, es wird in wenigen Tagen mit einer Unmenge an leuchtend gelben Blüten aufwarten.“ Die Besucher glauben ihm natürlich nicht, wollen wissen, wo die zu kaufen sind, auch fragen sie, warum die Wicken schon abgeblüht seien. „Das sind meine Erbsen, die esse ich gerne roh, wenn ich durch den Garten gehe und mir Gedanken mache.“ „Ja sicher, Erbsen. Wo bekommt man denn Wicken mit einen so spannenden Blatt her. Die möchte ich auch gerne haben.“ „Das sind Erbsen, weißblütig, leider schon verblüht, da gehen gerne die Hummeln dran, aber jetzt kann ich jeden Tag gut fünfzig ernten, die schmecken wirklich gut.“ “ Und ich dachte immer, dass Wicken giftig seien.“ Herr Nipp kann sagen, was er will, man hört ihm offensichtlich nicht zu. „Ist das Pelzige da eigentlich eine Nelke?“ “ Nein, wollige Apfelminze, sehr bekömmlich.“ „Na klar, und wo wachsen die Wrigleys?“ So geht es bei jeder Sorte, Zwie- beln sind Lilien, was auch gar nicht so falsch ist, andererseits wird im Stechapfel mit großer Sicherheit eine Kartoffelpflanze entdeckt und diese violetten Blüten des Mohns- „Ist das denn eine Nelke?“
Herr Nipp gibt auf, pflückt sich einige Zig Erbsenschoten in den Metalltopf, setzt sich auf die Treppe und isst in aller Ruhe seine gedöppte Ernte. Lecker. Nur für das geplante Kochen bleibt mal wieder nichts übrig.
***
Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019
Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen, die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das auf ein Geschehen verweist, und einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.
Weiterführend →
Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.
Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421