Griff ins Leere

 

Das Bett kam ihm riesig vor. Giancarlo drehte sich auf die Hälfte des Ehebettes, in der früher seine Frau geschlafen hatte. Steckte die Nase in die hellen Kissen und bildete sich ein, Lorettas Parfüm zu riechen. Imaginierte ihren Rücken, die schmalen Schultern, die schwarzen Haare. Ihren Geruch. Instinktbedingt bekam er eine Erektion. Wollte sie an sich ziehen… Griff ins Leere. Packte sein Geschlecht. Schleuderte sich aus lauter Verzweiflung einen, um zu entspannen. Drückte sich mit den Schulterblättern in die Kissen, verbreitete sich in den Nasenflügeln, verfiel in den Rausch des Unaussprechlichen. Als sein Körper in Zuckungen verfiel, rauschte der schwarze Engel an ihm vorbei. Berührte die Stirn mit seinem Flügel.

Er öffnete die Augen, versuchte in der Dunkelheit Konturen auszumachen. Wie durch einen Nebel griff er nach dem Glas auf dem Nachttisch. Goss behutsam einen Schluck aus der grünen Flasche nach. Führte das Pinnchen an die Lippen, nippte. Die Worte flossen mit jedem Schluck, den er vom Absynth nahm, unaufhaltsam in den Rachen. Gutturale Laute, unterbrochen von ihrem Duft, der schwer auf ihm lag. Er nahm den unaufhaltsam nagenden Zorn mit in den Schlaf, ließ die Wogen der Unvernunft über sich hereinbrechen. Spürte, wie seine Gliedmaßen ihm den Dienst versagten, hörte seinen rasselnden Atem, als er durch den Traum wieder an die Oberfläche unter seiner Haut stiess.

Klirrende Klarheit. Bildlose Welt ferner Gewissheit. Giancarlo war tagsüber Herr der Lage, während ihn auf dem Schlachtfeld der Träume Dämonen heimsuchten. Die Erstarrung seines schlafenden Körpers spürte er nicht. Schlaf war für ihn nie Erholung, sondern beständiger Kampf. Immer schleppten sich verzerrte Visionen von Gefühlen und Ereignissen des Tages durch die Träume. Sein Kampf war aussichtslos, trotz aller Disziplin. Der schwarze Engel… „war es wirklich Loretta?“, überlegte er, nachdem er aufwachte. Er goss sich einen weiteren Absynth ein; irgendwann würde sie ihn mitnehmen. Nur die Furcht vor dem Tod ließ ihn hoffen. Dieser Zustand radierte sein Gehirn aus, nur Erinnerungen, die verloren gehen würden, bewahrten ihn vor dem Allerschlimmsten.

 

 

Fortsetzung folgt.

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Massaker, ein Cranger-Cirmes-Crimi von Barbara Ester und A.J. Weigoni, Krash-Verlag 2001

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In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Lesen Sie auch das Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit dem echten Bastei Lübbe-Autor Dieter Walter. Eine Würdigung von Massaker durch Betty Davis lesen Sie hier. Die Hörfassung unter dem Titel Blutrausch hören Sie in der Reihe MetaPhon. Als Tag für die Vorstellung dieses Cranger-Cirmes-Crimis war der 11. September 2001 vorgesehen.