Ehrenrunde

 

In ihrer Wohnung angekommen fütterte Jacqueline das Kaninchen. Streichelte sein weißes Fell und tastete nach den Knochen. Stellte frisches Wasser in den Käfig. Sperrte die Balkontür zu. Löschte das Licht, ging zu Bett und erinnerte sich an eine Einschlaf–Geschichte ihres Vaters.

»Es begann im Mittelalter…«, glaubte sie seine Stimme zu hören, » im 15. Jahrhundert gab es einen großen Pferdemarkt. An der Biegung der Emscher wurden wilde Pferde zusammengetrieben und verkauft. Schaulustige reisten zum diesem großen Markt. Hier hatten aber nur Händler und Käufer Zutritt. Der Anhang wartete auf der anderen Seite der Emscher, und dort entstand dann die Cranger Kirmes. Gaukler, Sänger, Zauberer und Wahrsager fanden sich ein. Du siehst, viel hat sich nicht geändert.«

Sommerregen pladderte leise auf das Pflaster. Trunkenes Lachen verebbte in der Nacht. Letzte Kirmesbesucher drehten eine Ehrenrunde.

 

 

Fortsetzung folgt.

***

Massaker, ein Cranger-Cirmes-Crimi von Barbara Ester und A.J. Weigoni, Krash-Verlag 2001

Weiterführend →

In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Lesen Sie auch das Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit dem echten Bastei Lübbe-Autor Dieter Walter. Eine Würdigung von Massaker durch Betty Davis lesen Sie hier. Die Hörfassung unter dem Titel Blutrausch hören Sie in der Reihe MetaPhon. Als Tag für die Vorstellung dieses Cranger-Cirmes-Crimis war der 11. September 2001 vorgesehen.