»Boah ehj, bin ich im Arsch!«, jaulte Maikel, streckte vor der Tür die Arme aus und japste nach unverbrauchtem Sauerstoff. Die Luft war warm. Er wunderte sich, dass noch Nacht war.
»Wills’te etwa schlappmachen?«, erkundigte sich Jacqueline scheinheilig und lächelte ihn an. Sie musste sich nicht einmal mehr anstrengen, er folgte ihr mit dem Tierheimblick. Es ging entlang der Pumpstation in ein kleines Wäldchen.
»Komm Baby… «, forderte sie der König von Gelsenkirchen lallend auf, als sie das Moos erreichten, »… mach‘ dich nackig für mich!«
Jacqueline sah sich um. Sie waren weit weg von der Straße. Laubbäume gaben ausreichend Deckung. Keine weiteren Nachtschwärmer in der Nähe. Sie bot ihm eine Solovorstellung. Griff sich zwischen die Beine, zog den Reißverschluss langsam auf, pellte sich umständlich aus der Jeans. Streifte lasziv ihren Slip ab.
»Leck mich!«, befahl sie. Drückte seinen Kopf fordernd herunter. Maikel ging in die Knie. Öffnete den Mund. Presste ihn auf ihre Lippen. Er spürte ihren Urin auf der Zunge. Versuchte durch die Nase zu atmen. Hatte Haare zwischen den Zähnen und spuckte sie aus.
»Besser!« Sie ließ die Handgelenke federn, als schätzte sie das Gewicht ab. Ihre Zeigefinger richtete sie nach vorn und schlangengleich zurück. Madame beliebt zu schmerzen. Jacqueline nahm aus ihrem Rucksack die Pistole, die mit einem Schalldämpfer versehen war. Maikel mühte sich redlich ab, den Knopf zu finden, um die Säfte fließen zu lassen. Es dauerte eine lange Weile, bis er mit dem ungeschickten Reibeisen seiner Zunge in lustvolle Bereiche durchdrang.
»Noch besser!«, zischelte Jacqueline durch die Zähne, zog brutal an seinem Haarschopf, seinen Kopf ihrem Gesicht entgegen und setzte die Waffe direkt vor seine Nase. Er öffnete die Augen. Starr glotzte er sie an.
»Weiter. Sonst baller ich dir den Schädel weg.«
»Aber…«, er wand sich. Angst verzerrte seine Züge. Jacqueline drückte den Waffenlauf in seinen Mund. Hebelte sie zwischen die Zähne.
»Weiter!«, befahl sie streng. Holte mit grimmiger Miene zu einem Schlag aus. Der König von Gelsenkirchen zuckte. War folgsam. Bis Jacqueline zittrig schrie:
»Guuut! Kannst aufhören.«
Maikel sackte zusammen. Würgte theatralisch. Erbrach sich. Schniefte, bepisste sich vor Angst. Faltete andeutungsweise die Hände zum Gebet.
»Ehj, war doch alles nur ein Spiel?«, bettelte er hündisch.
»Sicher, Maikel, war nur ein Spiel…«, bestätigte Jacqueline, „aber du hast nicht nach den Regeln gefragt. Und außerdem nimmst du mir die Luft zum Atmen“. Sie hielt ihm die Mündung zwischen die Augen, drückte ab. Ein Eichhörnchen fiel vom Baum.
Fortsetzung folgt.
***
Massaker, ein Cranger-Cirmes-Crimi von Barbara Ester und A.J. Weigoni, Krash-Verlag 2001
In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Lesen Sie auch das Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit dem echten Bastei Lübbe-Autor Dieter Walter. Eine Würdigung von Massaker durch Betty Davis lesen Sie hier. Die Hörfassung unter dem Titel Blutrausch hören Sie in der Reihe MetaPhon. Als Tag für die Vorstellung dieses Cranger-Cirmes-Crimis war der 11. September 2001 vorgesehen.