Eine Erinnerung an Alois Hergouth

 

In meiner Erinnerung sehe ich uns beisammen sitzen: den Alois Hergouth, den Jean Charles Lombard, den France Filipic und mich, nach einer Veranstaltung des Alpenländischen Schriftstellerkongresses in Radkersburg/Radenci, in irgendeinem Gasthaus, bei Wein und Zigaretten und im Gespräch. Alle drei sind sie schon tot. Der Alois Hergouth hat ständig geraucht und die Luft verpestet, auch seine Stimme und überhaupt seine Gesundheit waren angegriffen. Ein schweres Leben hat er gehabt. Aber er hat sich hinaufgearbeitet – fleißig, zäh und zielbewußt. Soldat war er noch gewesen im Zweiten Weltkrieg. Dann hat er studiert und promoviert und wissenschaftlich gearbeitet, aber auch schon Gedichte geschrieben. Als elftes Kind eines Maurers war er geboren. Arbeitermilieu. Armeleutekind! Das hat er sein Leben lang nicht vergessen, das hat ihn geprägt, das konnte man spüren. Nie war er überheblich, stets bescheiden und etwas (in sich) zurückgezogen. Dabei hatte er einen feinen Humor. Er machte aber keine Witze, nur sparsame Bemerkungen, so beiläufig hingesagt, die Ausdruck seines kritischen Verstandes und der aus seinem Leben gewonnenen Einsicht waren. Er hat nie laut gelacht, nein, der Alois Hergouth hatte ein Lächeln, er konnte sich auch über etwas amüsieren. Und er hatte, wie man sagt, eine „tiefe Seele“, etwas ganz Innerliches. „Zum Niederknien sind diese Gedichte!“ sagte ich einmal, als ich sie im Radio hörte und gar nicht wußte, von wem sie waren. „Das ist ein großer Dichter, wer ist das?“ fragte ich und wartete auf die Schlußansage der Sendung. Und dann fiel der Name Alois Hergouth als Verfasser dieser Gedichte. „Aber den kenne ich doch!“ sagte ich, „das ist ja der Alois Hergouth, mit dem ich in einem Gasthaus zusammen mit anderen Freunden Wein getrunken habe, irgendwo an der Grenze, im Steirischen.“ Er lebte ja – wie ich gehört hatte – in Sladka Gora, auf der anderen Seite, im Slowenischen, in einer bescheidenen Hütte, aber inmitten der Weinberge. Ich habe den Alois Hergouth nach diesem Abend in Radkersburg nie mehr gesehen. Nur einmal begegnete er mir noch indirekt in den von ihm aus dem Slowenischen übertragenen Gedichten des mir ebenfalls bekannten Dichters Kajetan Kovic bei einer Lesung im damals noch vorhandenen jugoslawischen Kulturinstitut in der Invalidenstraße in Wien. Auch von seinem Tod habe ich erst später und nur so nebenbei erfahren. Ich habe um ihn getrauert, um diesen großen Dichter und um diesen lieben, bescheidenen Menschen.

 

***

Schriftstellerbegegnungen 1960-2010 von Peter Paul Wiplinger, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010

Wiplinger Peter Paul 2013, Photo: Margit Hahn

Weiterführend → KUNO schätzt dieses Geflecht aus Perspektiven und Eindrücken. Weitere Auskünfte gibt der Autor im Epilog zu den Schriftstellerbegegnungen.
Die Kulturnotizen (KUNO) setzen die Reihe Kollegengespräche in loser Folge ab 2011 fort. So z.B. mit dem vertiefenden Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier. Druck und Papier, manche Traditionen gehen eben nicht verloren.