Ferienjob

 

Herr Nipp hatte Ferien, eine Zeit in der normalerweise viele Dinge zu erledigen sind, leider meist unangenehmer Natur, da am Ende bewusst wird, wie wenig Schönes man doch unternommen hat. Der Garten musste gemacht werden, die Tristesse eines möglichst schnell zu rasierenden Rasens in eine lebendige Parklandschaft (zugegeben, ein sehr kleiner Park, eben ein häuslicher Garten) umgewandelt. Er hatte sich Steine und Boden besorgt und würde weitere Materialien dazu holen müssen, denn die 800 Quadratmeter sind groß, wenn sie gestaltet werden wollen. Zunächst sollte das Gemüsebeet eingefasst werden – mit einer gut 20 cm hohen Mauer, hierfür waren noch genügend Steine vorhanden, sie hatten verteilt in den verschiedenen Prüttelecken des Gartens gelegen, auch Findlinge vom Abriss des undichten Gartenteiches waren noch über. Der hoch aufgeschichtete Mutterboden (in den letzten zwei Jahren durch Kompost stark aufgewertet) konnte nicht mehr auf die Wiese fallen und die Hummeln hatten nun neue Möglichkeiten für ihre Nester. Die Obstbäume – vier – und die große Wal- nuss wurden ebenfalls mit Mauern eingefasst, damit der Rasenmäher die Rinde in Zukunft nicht mehr verletzen kann. Man sollte sich ein Bild davon machen, wieviel Boden benötigt wird, wenn man die Rondelle der Steinanhäufungen auffüllt. Pflanzen hatte er geschenkt bekommen, einige gekauft, Stauden, die würden in den nächsten Jahren größer werden und wenig Arbeit mit sich bringen. Glücklich besah er sich nach getaner Arbeit sein Werk. So unangenehm war diese Aufgabe eben doch nicht gewesen. Pflanzen und Klein- und Kleinstiere geschützt, dem Auge nun Verweilpunkte geschaffen und überall konnte Leben beobachtet werden, sogar einer der neuen Nistkästen war schon von einer Kohlmeise bezogen worden. Nicht bedacht hatte er allerdings, dass die Schnecken solche Mauern als Unterschlupf schätzen.

 

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019

Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen, die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das auf ein Geschehen verweist, und einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421