Wir sind einen Kalendertag
weitergekommen. Es gab keine Gasexplosion.
Genügend Unglück stand in der Zeitung.
Wir blieben verschont.
Unsere internen Katastrophen verursachen
kein Geräusch. Wir werden nicht auffällig.
Wie es aussieht, wird hier kurzfristig
keiner zur Axt greifen.
Manches macht uns nicht mehr so glücklich
wie früher. Wir essen Gemüse; rauchen nicht;
sind fleißig; gehen den Leuten aus dem Weg;
glauben nicht allzuviel; und lieben einander.
Aber das ist zu wenig.
Kein Zweifel, es wird zunehmend schwieriger,
von jemandem verläßlich zu wissen: Der hier
lebt noch, oder: Der ist schon tot.
Manchmal, nachts (es geht schnell vorbei)
entsetzt uns die Einsicht, daß wir allein sind
in diesem riesigen Sarkophag –
Wir gehen ins Haus und stellen den Fernseher an.
***
Der Lyriker, Essayist und Aphoristiker Maximilian Zander veröffentlichte seit Mitte der 1990er-Jahre Gedichte und Aphorismen. Seine lakonischen (immer wieder auch metalyrischen) Gedichte, die u. a. in Literaturzeitschriften wie ndl, Muschelhaufen, Faltblatt und Anthologien wie Axel Kutsch, Versnetze (2005) oder Theo Breuer, NordWestSüdOst (2003) sowie in bislang vier Gedichtbänden erschienen, setzen sich auf ironisch-distanzierte Art und Weise mit Alltag und Gesellschaft aus der Sicht eines welterfahrenen Menschen auseinander.
Weiterführend →
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