There is no dark side in the moon, really; as a matter of fact it’s all dark.
Gerry Driscoll
Heute vor 30 Jahren (in Worten: dreißig!) erschien Pink Floyds The Dark Side of the Moon. Da ich nicht zu den Manufactum-Nostalgikern gehöre, die eine LP für das Wahre, Gute und Schöne halten, habe ich eine CD mit dem Remaster erworben. Es beginnt mit dem Pochen eines Herzschlags, der einem nicht durch das Knistern einer Schallplatte verleidet wird. Neben der klanglichen Brillianz, die das Medium und das Remaster bieten, fällt auf, wie aktuell die Themen sind: Anonyme Machtstrukturen wie das Geld, die Zeit und der Kriegswahnsinn werden aufgezeigt.
Bei diesem so genannten Konzeptalbum kann man von einem Tongemälde sprechen, das die Pressionen des Alltagslebens und Reaktionen darauf wie Entfremdung, Verdrängung und Schizophrenie darstellt. Vielleicht sollte man auch nicht von einem Pop-Album sprechen, sondern eher von einem Hörspiel, wenn etwa die gesprochenen Passagen, die das Intro Speak to Me bestimmen.
Faszinierend nach vor die Tonbandschleifen von mehreren synchron schellenden Weckern beziehungsweise dem Klingeln eine einer Registrierkasse oder die Geräusche eines explodierenden Flugzeuges, mit denen ein Song ausklingt. Es ist wichtig, sich mit diesem Abstand zu erinnern, es war 1973 als dieses Album mit Klangschleifen und Synthesizerloops bereits Techniken vorwegnahm, die erst Jahrzehnte später zur Selbstverständlichkeit wurden, als man am Rechner damit begann, Klangklötzchen zu verschieben.
Auch die Erkenntnis, das auch das Tonstudio ein Instrument ist, war nicht gerade neu. Mit zeitlichem Abstand höre ich dieses Album als Space-Operette, im Gegensatz zu Mozart oder Monteverdi haben die Floyds eher leicht konsumierbare, eingängige Musik komponiert, eine eher sentimentale Handlung und gesprochene Dialoge zwischen den Musiknummern präsentiert, ein tönendes Denkmal für das, was Pop mal konnte. Und sich nicht mehr zutraut.
Die Punks haben die Hippies in Grund und Boden gerockt, es spricht einiges dafür, dass Pink Floyd vier Jahre zuvor das Requiem auf die Protestkultur geschrieben hat.
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The Dark Side of the Moon, von Pink Floyd, aufgenommen in den Abbey Road Studios, London von Alan Parsons, Juni 1972 bis Januar 1973. Veröffentlicht am 1. März 1973
Weiterführend → Rhythm & Blues lebt davon, dass die Ambivalenz bewahrt wird. Dieses Album wurde veröffentlicht, als Country noch Country war, es gab kein Alternative, was das Rätsel aufgab, was genau man hörte. Die Cowboy Junkies nahmen Blues, Country, Folk, Rock und Jazz und verlangsamten es stark und schufen dabei etwas Neues. Wir betrachten die Geburtshelfer der Americana. Des Weiteren eine Betrachtung des tiefgründigen Folk-Songs: Both Sides Now. Wahrscheinlich hat selten ein Musiker die Atmosphäre einer Stadt so akkurat heraufbeschworen wie Dr. John. Die Delta-Blues-Progression des Captain Beefheart muss dahinter nicht zurückstehen, eine gute Einstimmung für sein Meisterwerk Trout Mask Replica. Wir lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und dem letzten Werk der Doors. Unterdessen begibt sich Eric Burdon auf die Spuren vom Memphis Slim. In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Lauschen dem Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Und stellen die Frage: Ist David Gilmour ein verkappter Blueser?
Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch. Daher auch schnellstens der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe
* Zum „Poster“ noch ein paar Anmerkungen. Zum Plakatieren der eigenen Lebenswelt war dieses Medium bestens geeignet, um sich von der Erwachsenenwelt abzugrenzen. Bei mir war damit Schluss, als ich einen Bekannten in einem Villenvorort besuchte. Er hatte ein „Jugendzimmer“, dass so gross war, wie die Wohnung, in der ich meine Kindheit verbracht hatte. An der Wand hing ein gerahmtes Poster des legendären Fotos, dass Alberto Korda von Che Guevara gemacht hat; es fluoreszierte, wenn man das Licht ausschaltete. Wie sang die Engliche Band Serious Drinking „The Revolution Starts at Closing Time“.