Hast du auch nicht vergessen, die Uhr aufzuziehen

 

Ich wollte, mein Vater oder meine Mutter, oder vielmehr beide (denn es war doch beider gemeinsame Pflicht) hätten ein wenig bedacht, was sie thaten, als sie mich in die Welt setzten. Hätten sie ernstlich erwogen, wie viel von dem, was sie vornahmen, abhienge, – daß es sich nicht allein darum handelte, ein vernünftiges Wesen hervorzubringen, sondern daß möglicherweise die glückliche Körperbildung und das Wohlbefinden dieses Wesens, vielleicht seine geistigen Fähigkeiten und die Eigenthümlichkeit seines Charakters, ja (wie kaum anders anzunehmen) wohl gar das Schicksal seines ganzen Hauses durch die Stimmungen und Neigungen, die zu jener Zeit in ihnen obwalteten, ihre Richtung erhalten würden; hätten sie alles das, sage ich, pflichtgemäß erwogen und demzufolge gehandelt, so würde ich – das ist meine feste Ueberzeugung – eine andere Figur in der Welt gespielt haben, als die ist, in welcher mich der Leser nun bald sehen wird. – Fürwahr, die Sache ist nicht so unwesentlich, als vielleicht Mancher glaubt. Wer hätte nicht schon von den animalischen Geistern gehört, und wie sie vom Vater auf den Sohn übergehen u.s.w. u.s.w.? Nun – verlaßt Euch auf mein Wort, – neun Zehntheil aller klugen oder dummen Streiche eines Menschen, seiner Erfolge oder Mißerfolge in dieser Welt hängt von den Bewegungen und der Thätigkeit dieser Geister, von der Art und Weise, wie sie in Gang gebracht werden, ab; denn sind sie einmal im Gang, dann ist nichts mehr zu machen, – gut oder übel, vorwärts geht’s wie toll, und da sie immer und immer wieder denselben Weg laufen, so giebt das bald eine Straße so glatt und bequem wie eine Chaussee, von der sie, wenn sie erst einmal daran gewöhnt sind, der Teufel selbst nicht wegtreibt.

»Hast du auch nicht vergessen, die Uhr aufzuziehen, lieber Mann?« fragte meine Mutter. – »Gott im Himmel!« rief mein Vater außer sich, aber mit gedämpfter Stimme, – »hat seit der Erschaffung der Welt wohl je ein Weib den Mann durch eine so alberne Frage gestört!« – – Bitte, was meinte Ihr Vater? – Nichts!

 

 

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The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman; kurz Tristram Shandy) ist ein zwischen 1759 und 1767 erschienener Roman von Laurence Sterne

Laurence Sterne (1713-1768), Gemälde von Joshua Reynolds, 1760

Laut Friedrich Nietzsche war er Der freieste Schriftsteller. Laurence Sterne, der vor 250 Jahren starb, wird zu diesem Anlass mit einer großartigen Werkausgabe geehrt. Der irische Humorist löste mit seinem Roman The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman 1759 einen Literaturskandal aus, weil der Autor alle Erzählkonventionen auf so kühne wie geistreiche Weise auf den Kopf stellt. Leben und Ansichten Tristram Shandys“ werden im Lauf der Handlung (?) aber kaum zum Gegenstand des Romans, sondern vielmehr die Ehefreuden seiner Eltern und das Liebesleben seines Onkels Toby.

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