Wie sehr auch einige neuere Aesthetiker sichs zum Geschäft machen, die Künste der Phantasie und Empfindung gegen den allgemeinen Glauben, daß sie auf Vergnügen abzwecken, wie gegen einen herabsetzenden Vorwurf zu vertheidigen, so wird dieser Glaube dennoch, nach wie vor, auf seinem festen Grunde bestehen, und die schönen Künste werden ihren althergebrachten unabstreitbaren und wohlthätigen Beruf nicht gern mit einem neuen vertauschen, zu welchen man sie großmüthig erhöhen will. Unbesorgt, daß ihre auf unser Vergnügen abzielende Bestimmung sie erniedrige, werden sie vielmehr auf den Vorzug stolz seyn, dasjenige unmittelbar zu leisten, was alle übrigen Richtungen und Thätigkeiten des menschlichen Geistes nur mittelbar erfüllen. Daß der Zweck der Natur mit dem Menschen seine Glückseligkeit sey, wenn auch der Mensch selbst in seinem moralischen Handeln von diesem Zwecke nichts wissen soll, wird wohl niemand bezweifeln, der überhaupt nur einen Zweck in der Natur annimmt. Mit dieser also, oder vielmehr mit ihrem Urheber haben die schönen Künste ihren Zweck gemein, Vergnügen auszuspenden und Glückliche zu machen. Spielend verleihen sie, was ihre ernstern Schwestern uns erst mühsam erringen lassen; sie verschenken, was dort erst der sauer erworbene Preis vieler Anstrengungen zu seyn pflegt. Mit anspannendem Fleiße müssen wir die Vergnügungen des Verstandes, mit schmerzhaften Opfern die Billigung der Vernunft, die Freuden der Sinne durch harte Entbehrungen erkaufen, oder das Uebermaaß der letztern durch eine Kette von Leiden büßen; die Kunst allein gewährt uns Genüsse, die nicht erst abverdient werden dürfen, die keine Opfer kosten, die durch keine Reue erkauft werden. Wer wird aber das Verdienst, auf diese Art zu ergötzen, mit dem armseligen Verdienst, zu belustigen, in eine Klasse setzen? Wer sich einfallen lassen, der schönen Kunst bloß deßwegen jenen Zweck abzusprechen, weil sie über diesen erhaben ist?
Die wohlgemeinte Absicht, das Moralischgute überall als höchsten Zweck zu verfolgen, die in der Kunst schon so manches Mittelmäßige erzeugte und in Schutz nahm, hat auch in der Theorie einen ähnlichen Schaden angerichtet. Um den Künsten einen recht hohen Rang anzuweisen, um ihnen die Gunst des Staats, die Ehrfurcht aller Menschen zu erwerben, vertreibt man sie aus ihrem eigentümlichen Gebieth, um ihnen einen Beruf aufzudringen, der ihnen fremd und ganz unnatürlich ist. Man glaubt ihnen einen großen Dienst zu erweisen, in dem man ihnen, anstatt des frivolen Zwecks zu ergötzen, einen moralischen unterschiebt, und ihr so sehr in die Augen fallender Einfluß auf die Sittlichkeit muß diese Behauptung unterstützen. Man findet es widersprechend, daß dieselbe Kunst, die den höchsten Zweck der Menschheit in so großem Maaße befördert, nur beiläufig diese Wirkung leisten und einen so gemeinen Zweck, wie man sich das Vergnügen denkt, zu ihrem letzten Augenmerk haben sollte. Aber diesen anscheinenden Widerspruch würde, wenn wir sie hätten, eine bündige Theorie des Vergnügens und eine vollständige Philosophie der Kunst sehr leicht zu heben im Stande seyn. Aus dieser würde sich ergeben, daß ein freyes Vergnügen, so wie die Kunst es hervorbringt, durchaus auf moralischen Bedingungen beruhe, daß die ganze sittliche Natur des Menschen dabei thätig sey. Aus ihr würde sich ferner ergeben, daß die Hervorbringung dieses Vergnügens ein Zweck sey, der schlechterdings nur durch moralische Mittel erreicht werden könne, daß also die Kunst, um das Vergnügen als ihren wahren Zweck vollkommen zu erreichen, durch die Moralität ihren Weg nehmen müsse. Für die Würdigung der Kunst ist es aber vollkommen einerley, ob ihr Zweck ein moralischer sey, oder ob sie ihren Zweck nur durch moralische Mittel erreichen könne, denn in beyden Fällen hat sie es mit der Sittlichkeit zu thun und muß mit dem Sittengesetz im engsten Einverständniß handeln; aber für die Vollkommenheit der Kunst ist es nichts weniger als einerley, welches von beyden ihr Zweck und welches das Mittel ist. Ist der Zweck selbst moralisch, so verliert sie das wodurch sie allein mächtig ist, ihre Freiheit, und das, wodurch sie so allgemein wirksam ist, den Reiz des Vergnügens. Das Spiel verwandelt sich in ein ernsthaftes Geschäft, und doch ist es gerade das Spiel, wodurch sie das Geschäft am besten vollführen kann. Nur indem sie ihre höchste ästhetische Wirkung erfüllt, wird sie einen wohlthätigen Einfluß auf die Sittlichkeit haben; aber nur indem sie ihre völlige Freyheit ausübt, kann sie ihre höchste ästhetische Wirkung erfüllen.
Es ist ferner gewiß, daß jedes Vergnügen, insofern es aus sittlichen Quellen fließt, den Menschen sittlich verbessert, und daß hier die Wirkung wieder zur Ursache werden muß. Die Lust am Schönen, am Rührenden, am Erhabenen stärkt unsre moralischen Gefühle, wie das Vergnügen am Wohlthun, an der Liebe u. s. f. alle diese Neigungen stärkt. Eben so, wie ein vergnügter Geist das gewisse Loos eines sittlich vortreflichen Menschen ist, so ist sittliche Vortreflichkeit gern die Begleiterinn eines vergnügten Gemüths. Die Kunst wirkt also nicht deswegen allein sittlich, weil sie durch sittliche Mittel ergötzt, sondern auch deswegen, weil das Vergnügen selbst, das die Kunst gewährt, ein Mittel zur Sittlichkeit wird.
Die Mittel, wodurch die Kunst ihren Zweck erreicht, sind so vielfach, als es überhaupt Quellen eines freyen Vergnügens giebt. Frey aber nenne ich dasjenige Vergnügen, wobey die Gemüthskräfte nach ihren eigenen Gesetzen affiziert werden, und wo die Empfindung durch eine Vorstellung erzeugt wird; im Gegensatz von dem physischen oder sinnlichen Vergnügen, wobey die Seele dem Mechanismus unterwürfig, nach fremden Gesetzen bewegt wird, und die Empfindung unmittelbar auf ihre physische Ursache erfolget. Die sinnliche Lust ist die einzige, die vom Gebiet der schönen Kunst ausgeschlossen wird, und eine Geschicklichkeit, die sinnliche Lust zu erwecken, kann sich nie oder alsdann nur zur Kunst erheben, wenn die sinnliche Eindrüke nach einem Kunstplan geordnet, verstärkt oder gemäßigt werden, und diese Planmäßigkeit durch die Vorstellung erkannt wird. Aber auch in diesem Fall wäre nur dasjenige an ihr Kunst, was der Gegenstand eines freyen Vergnügens ist, nehmlich der Geschmack in der Anordnung, der unsern Verstand ergötzt, nicht die physischen Reize selbst, die nur unsre Sinnlichkeit vergnügen.
Die allgemeine Quelle jedes, auch des sinnlichen, Vergnügens ist Zweckmäßigkeit. Das Vergnügen ist sinnlich, wenn die Zweckmäßigkeit nicht durch die Vorstellungskräfte erkannt wird, sondern bloß durch das Gesetz der Nothwendigkeit die Empfindung des Vergnügens zur physischen Folge hat. So erzeugt eine zweckmäßige Bewegung des Bluts und der Lebensgeister in einzelnen Organen oder in der ganzen Maschine die körperliche Lust mit allen ihren Arten und Modifikationen; wir fühlen diese Zweckmäßigkeit durch das Medium der angenehmen Empfindung, aber wir gelangen zu keiner, weder klaren noch verworrenen Vorstellung von ihr.
Das Vergnügen ist frey, wenn wir uns die Zweckmäßigkeit vorstellen, und die angenehme Empfindung die Vorstellung begleitet; alle Vorstellungen also, wodurch wir Uebereinstimmung und Zweckmäßigkeit erfahren, sind Quellen eines freyen Vergnügens und in so fern fähig von der Kunst zu dieser Absicht gebraucht zu werden. Sie erschöpfen sich in folgenden Klassen: Gut, Wahr, Vollkommen, Schön, Rührend, Erhaben. Das Gute beschäftigt unsre Vernunft, das Wahre und Vollkommene den Verstand; das Schöne den Verstand mit der Einbildungskraft, das Rührende und Erhabene die Vernunft mit der Einbildungskraft. Zwar ergötzt auch schon der Reiz oder die zur Thätigkeit aufgefoderte Kraft, aber die Kunst bedient sich des Reizes nur, um die höhern Gefühle der Zweckmäßigkeit zu begleiten; allein betrachtet verliert er sich unter die Lebensgefühle, und die Kunst verschmäht ihn wie alle sinnlichen Lüste.
Die Verschiedenheit der Quellen, aus welchen die Kunst das Vergnügen schöpft, das sie uns gewähret, kann für sich allein zu keiner Eintheilung der Künste berechtigen, da in derselben Kunstklasse mehrere, ja oft alle Arten des Vergnügens zusammen fließen können. Aber in so fern eine gewisse Art derselben als Hauptzweck verfolgt wird, kann sie, wenn gleich nicht eine eigene Klasse, doch eine eigene Ansicht der Kunstwerke gründen. So z. B. könnte man diejenigen Künste, welche den Verstand und die Einbildungskraft vorzugsweise befriedigen, diejenigen also, die das Wahre, das Vollkommene das Schöne zu ihrem Hauptzweck machen, unter dem Nahmen der schönen Künste (Künste des Geschmacks, Künste des Verstandes) begreifen; diejenigen hingegen, die die Einbildungskraft mit der Vernunft vorzugsweise beschäftigen, also das Gute, das Rührende und Erhabene zu ihrem Hauptgegenstand haben, unter dem Nahmen der Rührenden Künste (Künste des Gefühls, des Herzens) in eine besondere Klasse vereinigen. Zwar ist es unmöglich, das Rührende von dem Schönen durchaus zu trennen, aber sehr gut kann das Schöne ohne das Rührende bestehen. Wenn also gleich diese verschiedene Ansicht zu keiner vollkommenen Eintheilung der freyen Künste berechtigt, so dient sie wenigstens dazu, die Principien zu Beurteilung derselben näher anzugeben und der Verwirrung vorzubeugen, welche unvermeidlich einreissen muß, wenn man bey einer Gesetzgebung in ästhetischen Dingen die ganz verschiedenen Felder des Rührenden und des Schönen verwechselt.
Unter der rührenden Gattung behaupten in der Dichtkunst die Epopee und das Trauerspiel den vorzüglichsten Rang. In der Erstern ist das Rührende dem Erhabnen, in dem letzten das Erhabene dem Rührenden beigesellt. Wollte man von diesem Leitfaden weiter Gebrauch machen, so könnte man Dichtungsarten aufstellen, die das Erhabene allein, andre die das Rührende allein behandeln. In noch andern würde sich das Rührende mit dem Schönen vorzüglich gatten, und zu der zweiten Ordnung der Künste einen Uebergang bahnen. So könnte man vielleicht diesen Faden auch durch diese, die schönen Künste, fortführen, und an dem höchst Vollkommenen einen Rückweg zum Erhabenen finden, wodurch der Kreis der Künste geschlossen würde.
Das Rührende und Erhabene kommen darinn überein, daß sie Lust durch Unlust hervorbringen, daß sie uns also (da die Lust aus Zweckmäßigkeit, der Schmerz aber aus dem Gegentheil entspringt) eine Zweckmäßigkeit zu empfinden geben, die eine Zweckwidrigkeit voraussetzt.
Das Gefühl des Erhabenen besteht einerseits aus dem Gefühl unsrer Ohnmacht und Begrenzung, einen Gegenstand zu umfassen, anderseits aber aus dem Gefühl unsrer Uebermacht, welche vor keinen Grenzen erschrickt, und dasjenige sich geistig unterwirft, dem unsre sinnlichen Kräfte unterliegen. Der Gegenstand des Erhabenen widerstreitet also unserm sinnlichen Vermögen, und diese Unzweckmäßigkeit muß uns nothwendig Unlust erwecken. Aber sie wird zugleich eine Veranlassung, ein anderes Vermögen in uns zu unserm Bewußtseyn zu bringen, welches demjenigen, woran die Einbildungskraft erliegt, überlegen ist. Ein erhabener Gegenstand ist also eben dadurch, daß er der Sinnlichkeit widerstreitet, zweckmäßig für die Vernunft, und ergötzt durch das höhere Vermögen, indem er durch das niedrige schmerzet.
Rührung, in seiner strengen Bedeutung, bezeichnet die gemischte Empfindung des Leidens und der Lust an dem Leiden. Rührung kann man also nur dann über eigenes Unglück empfinden, wenn der Schmerz über dasselbe gemäßigt genug ist, um der Lust Raum zu lassen, die etwa ein mitleidender Zuschauer dabey empfindet. Der Verlust eines großen Guts schlägt uns heute zu Boden, und unser Schmerz rührt den Zuschauer; in einem Jahre erinnern wir uns dieses Leidens selbst mit Rührung. Der Schwache ist jederzeit ein Raub seines Schmerzens, der Held und der Weise werden vom höchsten eigenen Unglück nur gerührt.
Rührung enthält eben so, wie das Gefühl des Erhabenen, zwey Bestandtheile, Schmerz und Vergnügen; also hier wie dort ligt der Zweckmäßigkeit eine Zweckwidrigkeit zum Grunde. So scheint es eine Zweckwidrigkeit in der Natur zu seyn, daß der Mensch leidet, der doch nicht zum Leiden bestimmt ist, und diese Zweckwidrigkeit thut uns wehe. Aber dieses Wehethun der Zweckwidrigkeit ist zweckmäßig für unsere vernünftige Natur überhaupt und in so fern es uns zur Thätigkeit auffordert, zweckmäßig für die menschliche Gesellschaft. Wir müssen also über die Unlust selbst, welche das Zweckwidrige in uns erregt, nothwendig Lust empfinden, weil jene Unlust zweckmäßig ist. Um zu bestimmen, ob bey einer Rührung die Lust oder die Unlust hervorstechen werde, kommt es darauf an, ob die Vorstellung der Zweckwidrigkeit oder die der Zweckmäßigkeit die Oberhand behält. Dieß kann nun entweder von der Menge der Zwecke, die erreicht oder verletzt werden, oder von ihrem Verhältniß zu dem letzten Zweck aller Zwecke abhängen.
Das Leiden des Tugendhaften rührt uns schmerzhafter, als das Leiden des Lasterhaften, weil dort nicht nur dem allgemeinen Zweck der Menschen, glücklich zu seyn, sondern auch dem besondern, daß die Tugend glücklich mache, hier aber nur dem erstern widersprochen wird. Hingegen schmerzt uns das Glück des Bösewichts auch weit mehr, als das Unglück des Tugendhaften, weil erstlich das Laster selbst und zweytens die Belohnung des Lasters eine Zweckwidrigkeit enthalten.
Ausserdem ist die Tugend weit mehr geschickt, sich selbst zu belohnen, als das glückliche Laster, sich zu bestrafen; eben deßwegen wird der Rechtschaffene im Unglück weit eher der Tugend getreu bleiben, als der Lasterhafte im Glück zur Tugend umkehren.
Vorzüglich aber kommt es bey Bestimmung des Verhältnisses der Lust zu der Unlust in Rührungen darauf an, ob der verletzte Zweck den erreichten oder der erreichte den, der verletzt wird, an Wichtigkeit übertreffen. Keine Zweckmäßigkeit geht uns so nah an als die moralische und nichts geht über die Lust, die wir über diese moralische Zweckmäßigkeit empfinden. Die Naturzweckmäßigkeit könnte noch immer problematisch seyn, die moralische ist uns erwiesen. Sie allein gründet sich auf unsre vernünftige Natur und auf innre Nothwendigkeit. Sie ist uns die nächste, die wichtigste, und zugleich die erkennbarste, weil sie durch nichts von aussen sondern durch ein innres Princip unsrer autonomischen Vernunft bestimmt wird. Sie ist das Palladium unsrer Freiheit.
Diese moralische Zweckmäßigkeit wird am lebendigsten erkannt, wenn sie im Widerspruch mit andern die Oberhand behält; nur dann erweißt sich die ganze Macht des Sittengesetzes, wenn es mit allen übrigen Naturkräften im Streit gezeigt wird und alle neben ihm ihre Gewalt über ein menschliches Herz verlieren. Unter diesen Naturkräften ist alles begriffen, was nicht moralisch ist, alles was nicht unter der höchsten Gesetzgebung der Vernunft stehet; also Empfindungen, Triebe, Affekte, Leidenschaften so gut, als die physische Nothwendigkeit und das Schicksal. Je furchtbarer die Gegner, desto glorreicher der Sieg; der Widerstand allein kann die Kraft sichtbar machen. Aus diesem folgt, „daß das höchste Bewußtseyn unsrer moralischen Natur nur in einem gewaltsamen Zustand, im Kampfe, erhalten werden kann, und daß das höchste moralische Vergnügen jederzeit von Schmerz wird begleitet seyn.“
Diejenige Dichtungsart also, welche uns die moralische Lust in vorzüglichem Grade gewährt, muß sich eben deßwegen der gemischten Empfindungen bedienen, und uns durch den Schmerz ergötzen. Dieß thut vorzugsweise die Tragödie, und ihr Gebieth umfaßt alle mögliche Fälle, in denen irgend eine Naturzweckmäßigkeit einer moralischen, oder auch eine moralische Zweckmäßigkeit der andern, die höher ist, aufgeopfert wird. Es wäre vielleicht nicht unmöglich, nach dem Verhältniß, in welchem die moralische Zweckmäßigkeit im Widerspruch mit der andern erkannt und empfunden wird, eine Stuffenleiter des Vergnügens von der untersten biß zur höchsten hinaufzuführen, und den Grad der angenehmen oder schmerzhaften Rührung a priori aus dem Princip der Zweckmäßigkeit bestimmt anzugeben. Ja vielleicht ließen sich aus eben diesem Princip bestimmte Ordnungen der Tragödie ableiten, und alle mögliche Klassen derselben a priori in einer vollständigen Tafel erschöpfen; so, daß man im Stande wäre, jeder gegebenen Tragödie ihren Platz anzuweisen und den Grad sowohl als die Art der Rührung im voraus zu berechnen, über den sie sich, vermöge ihrer Species nicht erheben kann. Aber dieser Gegenstand bleibt einer eigenen Erörterung vorbehalten.
Wie sehr die Vorstellung der moralischen Zweckmäßigkeit der Naturzweckmäßigkeit in unserm Gemüth vorgezogen werde, wird aus einzelnen Beispielen einleuchtend zu erkennen seyn.
Wenn wir Hüon und Amanda an den Marterpfahl gebunden sehen, beyde aus freyer Wahl bereit, lieber den fürchterlichen Feuertod zu sterben als durch Untreue gegen das Geliebte sich einen Thron zu erwerben – was macht uns wohl diesen Auftritt zum Gegenstand eines so himmlischen Vergnügens? Der Widerspruch ihres gegenwärtigen Zustands mit dem lachenden Schicksal das sie verschmähten, die anscheinende Zweckwidrigkeit der Natur, welche Tugend mit Elend lohnt, die naturwidrige Verläugnung der Selbstliebe u. s. f. sollten uns, da sie so viele Vorstellungen von Zweckwidrigkeit in unsre Seele rufen, mit dem empfindlichsten Schmerz erfüllen – aber was kümmert uns die Natur mit allen ihren Zwecken und Gesetzen, wenn sie durch ihre Zweckwidrigkeit eine Veranlassung wird, uns die moralische Zweckmäßigkeit in uns in ihrem vollesten Lichte zu zeigen? Die Erfahrung von der siegenden Macht des sittlichen Gesetzes, die wir bei diesem Anblick machen, ist ein so hohes so wesentliches Gut, daß wir sogar versucht werden, uns mit dem Uebel auszusöhnen, dem wir es zu verdanken haben. Uebereinstimmung im Reich der Freyheit ergötzt uns unendlich mehr, als alle Widersprüche in der natürlichen Welt uns zu betrüben vermögen.
Wenn Koriolan, von der Gatten- und Kindes- und Bürgerpflicht besiegt, das schon so gut als eroberte Rom verläßt, seine Rache unterdrückt, sein Heer zurückführt, und sich dem Haß eines eifersüchtigen Nebenbuhlers zum Opfer dahingibt, so begeht er offenbar eine sehr zweckwidrige Handlung; er verliert durch diesen Schritt nicht nur die Frucht aller bisherigen Siege, sondern rennt auch vorsätzlich seinem Verderben entgegen – aber wie treflich wie unaussprechlich groß ist es auf der andern Seite, den gröbsten Widerspruch mit der Neigung einem Widerspruch mit dem sittlichen Gefühl kühn vorzuziehen, und auf solche Art, dem höchsten Interesse der Sinnlichkeit entgegen, gegen die Regeln der Klugheit zu verstoßen, um nur mit der höhern moralischen Pflicht übereinstimmend zu handeln? Jede Aufopferung des Lebens ist zweckwidrig, denn das Leben ist die Bedingung aller Güter; aber Aufopferung des Lebens in moralischer Absicht ist in hohem Grad zweckmäßig, denn das Leben ist nie für sich selbst, nie als Zweck, nur als Mittel zur Sittlichkeit wichtig. Tritt also ein Fall ein, wo die Hingebung des Lebens ein Mittel zur Sittlichkeit wird, so muß das Leben der Sittlichkeit nachstehen. „Es ist nicht nöthig, daß ich lebe, aber es ist nöthig, daß ich Rom vor dem Hunger schütze,“ sagt der große Pompejus, da er nach Afrika schiffen soll, und seine Freunde ihm anliegen, seine Abfahrt zu verschieben, biß der Seesturm vorüber sey.
Aber das Leiden eines Verbrechers ist nicht weniger tragisch ergötzend, als das Leiden des Tugendhaften und doch erhalten wir hier die Vorstellung einer moralischen Zweckwidrigkeit. Der Widerspruch seiner Handlung mit dem Sittengesetz sollte uns mit Unwillen, die moralische Unvollkommenheit, die eine solche Art zu handeln voraussetzt, mit Schmerz erfüllen; wenn wir auch das Unglück der Schuldlosen nicht einmal in Anschlag brächten, die das Opfer davon werden. Hier ist keine Zufriedenheit mit der Moralität der Personen, die uns für den Schmerz zu entschädigen vermöchte, den wir über ihr Handeln und Leiden empfinden – und doch ist beydes ein sehr dankbarer Gegenstand für die Kunst, bey dem wir mit hohem Wohlgefallen verweilen. Es wird nicht schwer seyn, diese Erscheinung mit dem bisher gesagten in Uebereinstimmung zu zeigen.
Nicht allein der Gehorsam gegen das Sittengesetz gibt uns die Vorstellung moralischer Zweckmäßigkeit, auch der Schmerz über Verletzung desselben thut es. Die Traurigkeit, welche das Bewußtseyn moralischer Unvollkommenheit erzeugt, ist zweckmäßig, weil sie der Zufriedenheit gegenüber steht, die das moralische Rechtthun begleitet. Reue, Selbstverdammung, selbst in ihrem höchsten Grad, in der Verzweiflung, sind moralisch erhaben, weil sie nimmermehr empfunden werden könnten, wenn nicht tief in der Brust des Verbrechers ein unbestechliches Gefühl für Recht und Unrecht wachte, und seine Ansprüche selbst gegen das feurigste Interesse der Selbstliebe geltend machte. Reue über eine That entspringt aus der Vergleichung derselben mit dem Sittengesetz, und ist Mißbilligung dieser That, weil sie dem Sittengesetz widerstreitet. Also muß im Augenblick der Reue das Sittengesetz die höchste Instanz im Gemüth eines solchen Menschen seyn; es muß ihm wichtiger seyn, als selbst der Preiß des Verbrechens, weil das Bewußtseyn des beleidigten Sittengesetzes ihm den Genuß dieses Preises vergällt. Der Zustand eines Gemüths aber, in welchem das Sittengesetz für die höchste Instanz erkannt wird, ist moralisch zweckmäßig, also eine Quelle moralischer Lust. Und was kann auch erhabener seyn, als jene heroische Verzweiflung, die alle Güter des Lebens, die das Leben selbst in den Staub tritt, weil sie die mißbilligende Stimme ihres innern Richters nicht ertragen und nicht übertäuben kann? Ob der Tugendhafte sein Leben freiwillig dahingibt, um dem Sittengesetz gemäß zu handeln – oder ob der Verbrecher unter dem Zwange des Gewissens sein Leben mit eigner Hand zerstört, um die Uebertretung jenes Gesetzes an sich zu bestrafen, so steigt unsre Achtung für das Sittengesetz zu einem gleich hohen Grad empor; und, wenn ja noch ein Unterschied statt fände, so würde er vielmehr zum Vortheil des Letztern ausfallen, da das beglückende Bewußtseyn des Rechthandelns dem Tugendhaften seine Entschließung doch einigermaßen konnte erleichtert haben, und das sittliche Verdienst an einer Handlung gerade um eben so viel abnimmt, als Neigung und Lust daran Antheil haben. Reue und Verzweiflung über ein begangenes Verbrechen zeigen uns die Macht des Sittengesetzes nur später, nicht schwächer; es sind Gemählde der erhabensten Sittlichkeit, nur in einem gewaltsamen Zustand entworfen. Ein Mensch, der wegen einer verletzten moralischen Pflicht verzweifelt, tritt eben dadurch zum Gehorsam gegen dieselbe zurück, und je furchtbarer seine Selbstverdammung sich äusert, desto mächtiger sehen wir das Sittengesetz ihm gebieten.
Aber es gibt Fälle, wo das moralische Vergnügen nur durch einen moralischen Schmerz erkauft wird, und dieß geschieht, wenn eine moralische Pflicht übertreten werden muß, um einer höhern und allgemeinern desto gemäßer zu handeln. Wäre Koriolan, anstatt seine eigene Vaterstadt zu belagern, vor Antium oder Korioli mit einem römischen Heere gestanden, wäre seine Mutter eine Volscierin gewesen, und ihre Bitten hätten die nehmliche Wirkung auf ihn gehabt, so würde dieser Sieg der Kindespflicht den entgegengesetzten Eindruck auf uns machen. Der Ehrerbietung gegen die Mutter stünde dann die weit höhere bürgerliche Verbindlichkeit entgegen, welche im Collisionsfall vor jener den Vorzug verdient. Jener Commendant, dem die Wahl gelassen wird, entweder die Stadt zu übergeben, oder seinen gefangenen Sohn vor seinen Augen durchbohrt zu sehen, wählt ohne Bedenken das Letztere, weil die Pflicht gegen sein Kind der Pflicht gegen sein Vaterland billig untergeordnet ist. Es empört zwar im ersten Augenblick unser Herz, daß ein Vater dem Naturtriebe und der Vaterpflicht so widersprechend handelt, aber es reißt uns bald zu einer süßen Bewunderung hin, daß sogar ein moralischer Antrieb, und wenn er sich selbst mit der Neigung gattet, die Vernunft in ihrer Gesetzgebung nicht irre machen kann. Wenn der Korinthier Timoleon einen geliebten aber ehrsüchtigen Bruder Timophanes ermorden läßt, weil seine Meinung von patriotischer Pflicht ihn zu Vertilgung alles dessen, was die Republik in Gefahr setzt, verbindet, so sehen wir ihn zwar nicht ohne Entsetzen und Abscheu diese naturwidrige, dem moralischen Gefühl so sehr widerstreitende Handlung begehen, aber unser Abscheu lößt sich bald in die höchste Achtung der heroischen Tugend auf, die ihre Aussprüche gegen jeden fremden Einfluß der Neigung behauptet, und im stürmischen Widerstreit der Gefühle eben so frey und eben so richtig, als im Zustand der höchsten Ruhe entscheidet. Wir können über republikanische Pflicht mit Timoleon ganz verschieden denken; das ändert an unserm Wohlgefallen nichts. Vielmehr sind es gerade solche Fälle, wo unser Verstand nicht auf der Seite der handelnden Person ist, aus welchen man erkennt, wie sehr wir Pflichtmäßigkeit über Zweckmäßigkeit, Einstimmung mit der Vernunft über die Einstimmung mit dem Verstande erheben.
Ueber keine moralische Erscheinung aber wird das Urtheil der Menschen so verschieden ausfallen, als gerade über diese, und der Grund dieser Verschiedenheit darf nicht weit gesucht werden. Der moralische Sinn liegt zwar in allen Menschen, aber nicht bey allen in derjenigen Stärke und Freiheit, wie er bei Beurtheilung dieser Fälle vorausgesetzt werden muß. Für die Meisten ist es genug eine Handlung zu billigen, weil ihre Einstimmung mit dem Sittengesetz leicht gefaßt wird, und eine andere zu verwerfen, weil ihr Widerstreit mit diesem Gesetz in die Augen leuchtet. Aber ein heller Verstand und eine von jeder Naturkraft also auch von moralischen Trieben (insofern sie instinktartig wirken) unabhängige Vernunft wird erfodert, die Verhältnisse moralischer Pflichten zu dem höchsten Princip der Sittlichkeit richtig zu bestimmen. Daher wird die nehmliche Handlung, in welcher einige wenige die höchste Zweckmäßigkeit erkennen dem großen Haufen als ein empörender Widerspruch erscheinen, ob gleich beide ein moralisches Urtheil fällen; daher rührt es, daß die Rührung an solchen Handlungen nicht in der Allgemeinheit mitgetheilt werden kann, wie die Einheit der menschlichen Natur und die Nothwendigkeit des moralischen Gesetzes erwarten läßt. Aber auch das wahrste und höchste Erhabene ist, wie man weiß, Vielen Ueberspannung und Unsinn, weil das Maaß der Vernunft, die das Erhabene erkennt, nicht in allen dasselbe ist. Eine kleine Seele sinkt unter der Last so großer Vorstellungen dahin, oder fühlt sich peinlich über ihren moralischen Durchmesser auseinander gespannt. Sieht nicht oft genug der gemeine Haufe da die häßlichste Verwirrung, wo der denkende Geist gerade die höchste Ordnung bewundert?
So viel über das Gefühl der moralischen Zweckmäßigkeit, in so fern es der tragischen Rührung und unsrer Lust an dem Leiden zum Grund liegt. Aber es sind demohngeachtet Fälle genug vorhanden, wo uns die Naturzweckmäßigkeit selbst auf Unkosten der moralischen zu ergötzen scheint. Die höchste Consequenz eines Bösewichts in Anordnung seiner Maschinen ergötzt uns offenbar, obgleich Anstalten und Zweck unserm moralischen Gefühl widerstreiten. Ein solcher Mensch ist fähig, unsre lebhafteste Theilnahme zu erwecken, und wir zittern vor dem Fehlschlag derselben Plane, deren Vereitlung wir, wenn es wirklich an dem wäre, daß wir alles auf die moralische Zweckmäßigkeit beziehen, aufs feurigste wünschen sollten. Aber auch diese Erscheinung hebt dasjenige nicht auf, was bisher über das Gefühl der moralischen Zweckmäßigkeit, und seinen Einfluß auf unser Vergnügen an tragischen Rührungen behauptet wurde.
Zweckmäßigkeit gewährt uns unter allen Umständen Vergnügen, sie beziehe sich entweder gar nicht auf das Sittliche, oder sie widerstreite demselben. Wir genießen dieses Vergnügen rein, so lange wir uns keines sittlichen Zwecks erinnern, dem dadurch widersprochen wird. Eben so wie wir uns an dem verstandähnlichen Instinkt der Thiere, an dem Kunstfleiß der Bienen u. d. gl. ergötzen, ohne diese Naturzweckmäßigkeit auf einen verständigen Willen, noch weniger auf einen moralischen Zweck zu beziehen, so gewährt uns die Zweckmäßigkeit eines jeden menschlichen Geschäfts an sich selbst Vergnügen, sobald wir uns weiter nichts dabey denken als das Verhältniß der Mittel zu ihrem Zweck. Fällt es uns aber ein, diesen Zweck nebst seinen Mitteln auf ein sittliches Princip zu beziehen, und entdecken wir alsdann einen Widerspruch mit dem letztern, kurz, erinnern wir uns, daß es die Handlung eines moralischen Wesens ist, so tritt eine tiefe Indignation an die Stelle jenes ersten Vergnügens, und keine noch so große Verstandeszweckmäßigkeit ist fähig, uns mit der Vorstellung einer sittlichen Zweckwidrigkeit zu versöhnen. Nie darf es uns lebhaft werden, daß dieser Richard III., dieser Jago, dieser Lovelace Menschen sind, sonst wird sich unsre Theilnahme unausbleiblich in ihr Gegentheil verwandeln. Daß wir aber ein Vermögen besitzen und auch häufig genug ausüben, unsre Aufmerksamkeit von einer gewissen Seite der Dinge freywillig abzulenken und auf eine andere zu richten, daß das Vergnügen selbst, welches durch diese Absonderung allein für uns möglich ist, uns dazu einladet und dabey festhält, wird durch die tägliche Erfahrung bestätigt.
Nicht selten aber gewinnt eine geistreiche Bosheit vorzüglich deßwegen unsre Gunst, weil sie ein Mittel ist, uns den Genuß der moralischen Zweckmäßigkeit zu verschaffen. Je gefährlicher die Schlingen sind, welche Lovelace Klarissens Tugend legt, je härter die Proben sind, auf welche die erfinderische Grausamkeit eines Despoten die Standhaftigkeit seines unschuldigen Opfers stellt, in desto höherem Glanz sehen wir die moralische Zweckmäßigkeit triumphieren. Wir freuen uns über die Macht des moralischen Pflichtgefühls, welches die Erfindungskraft eines Verführers so sehr in Arbeit setzen kann. Hingegen rechnen wir dem consequenten Bösewicht die Besiegung des moralischen Gefühls, von dem wir wissen, daß es sich nothwendig in ihm regen mußte, zu einer Art von Verdienst an, weil es von einer großen Zweckmäßigkeit des Verstandes zeugt, sich durch keine moralische Regung in seinem Handeln irre machen zu lassen.
Uebrigens ist es unwidersprechlich, daß eine zweckmäßige Bosheit nur alsdann der Gegenstand eines vollkommenen Wohlgefallens werden kann, wenn sie vor der moralischen Zweckmäßigkeit zu Schanden wird. Dann ist sie sogar eine wesentliche Bedingung des höchsten Wohlgefallens, weil sie allein vermag, die Uebermacht des moralischen Gefühls recht einleuchtend zu machen. Es gibt davon keinen überzeugendern Beweis, als den letzten Eindruck, mit dem uns der Verfasser der Klarissa entläßt. Die höchste Verstandeszweckmäßigkeit, die wir in dem Verführungsplane des Lovelace unfreiwillig bewundern mußten, wird durch die Vernunftzweckmäßigkeit, welche Klarissa diesem furchtbaren Feind ihrer Unschuld entgegen setzt, glorreich übertroffen, und wir sehen uns dadurch in den Stand gesetzt, den Genuß beider in einem hohen Grad zu vereinigen.
In so ferne sich der tragische Dichter zum Ziel setzt, das Gefühl der moralischen Zweckmäßigkeit zu einem lebendigen Bewußtseyn zu bringen, in so fern er also die Mittel zu diesem Zwecke verständig wählt und anwendet, muß er den Kenner jederzeit auf eine gedoppelte Art durch die moralische und durch die Naturzweckmäßigkeit ergötzen. Durch jene wird er das Herz, durch diese den Verstand befriedigen. Der große Haufe erleidet gleichsam blind die von dem Künstler auf das Herz beabsichtete Wirkung, ohne die Magie zu durchblicken, vermittelst welcher die Kunst diese Macht über ihn ausübte. Aber es gibt eine gewisse Klasse von Kennern, bey denen der Künstler gerade umgekehrt, die auf das Herz abgezielte Wirkung verliert, deren Geschmack er aber durch die Zweckmäßigkeit der dazu angewandten Mittel für sich gewinnen kann. Gleichgültig gegen den Inhalt werden diese bloß durch die Form befriedigt. Sie vergeben eine Verletzung dieser selbst der gelungensten Wirkung nicht, und wollen lieber bey einer zweckmäßigen Anordnung den Zweck, als bey dem vollkommen erreichten Zweck die Zweckmäßigkeit der Mittel verlieren. In diesen sonderbaren Widerspruch artet öfters die feinste Kultur des Geschmackes aus, besonders wo die moralische Veredlung hinter der Bildung des Kopfs zurückbleibt. Diese Art Kenner suchen im Rührenden und Erhabenen nur das Schöne; dieses empfinden und prüfen sie mit dem richtigsten Gefühl, aber man hüte sich, an ihr Herz zu appelliren. Alter und Kultur führen uns dieser Klippe entgegen, und diesen nachtheiligen Einfluß von beyden glücklich besiegen, ist der höchste Karakterruhm des gebildeten Mannes. Unter Europens Nationen sind unsre Nachbarn die Franzosen diesem Extrem am nächsten geführt worden, und wir ringen, wie in allem so auch hier, diesem Muster nach.
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KUNO hat ein Faible für die frei drehende Phantasie. Wir begreifen die Gattung des Essays als eine Versuchsanordnung, undogmatisch, subjektiv, experimentell, ergebnisoffen. Auch ein Essay handelt ausschliesslich mit Fiktionen, also mit Modellen der Wirklichkeit. Wir betrachten Michel de Montaigne als einen Blogger aus dem 16. Jahrhundert. Henry David Thoreau gilt als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Als sorgfältig feilender Stilist, als hervorragender Sprachkünstler hat er durch die für ihn charakteristische Essayform auf Generationen von Schriftstellern anregend gewirkt. Karl Kraus war der erste Autor, der die kulturkritische Kommentierung der Weltlage zur Dauerbeschäftigung erhob. Seine Zeitschrift „Die Fackel“ war gewissermaßen der erste Kultur-Blog. Die Redaktion nimmt Rosa Luxemburg beim Wort und versucht in diesem Online-Magazin auch überkommene journalistische Formen neu zu denken. Enrik Lauer zieht die Dusche dem Wannenbad vor. Warum erstere im Spätkapitalismus – zum Beispiel als Zeit und Ressourcen sparend – zweiteres als Form der Körperreinigung weitgehend verdrängt hat, ist einer eigenen Betrachtung wert. Ulrich Bergmann setzte sich mit den Wachowski-Brüdern und der Matrix auseinander. Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie ein weitere Betrachtungen von J.C. Albers. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt.