1. IM WELLENTAL
Und eine Stimme hat sie, daß man sich Watte in die Ohren stopfen muß, wenn man unzerrissene Trommelfelle behalten will. Beginnt sie ihr donnerndes Lied zu singen – ein Lied von deutschem Erfindergeist und deutscher Kraft –, so fährt ihr ein Feuerstrahl von Mastbaumlänge aus der Kehle, und wer hinter dem musizierenden Cousinchen steht, seht eine schwarze, kleiner und kleiner werdende Scheibe steil durch die Luft emporfliegen …
Karl Kraus · Die letzten Tage der Menschheit
Der Wiederaufbau der zerbombten Alpen nach dem zweiten Weltkrieg hat die Österreicher einen Gutteil Energie gekostet. Die Mattigkeit davon wird tradiert und beschönigend als ›Gemütlichkeit‹ ausgegeben. Bis vor zwei Jahren habe ich noch am Südrand dieser Gemütlichkeit gelebt, in Graz. Obwohl das kulturelle Nachrichtenwesen des Landes von ausgesuchter Besinnlichkeit ist, kamen neue Ereignisse an. Namentlich Punk, und Strömungen, die sich über die Medien aufbäumten zur New Wave, der Neuen Welle.
Vorerst tauchen vor mir Figuren wie Patti Smith und Nina Hagen auf. Aus der Musicbox meines Stammcafes föhnt täglich mehrmals die erste Single der Sex Pistols. Die Sänger, die jetzt kommen, schreien wie bei einem Autounfall, die Lenksäule im Brustkorb, und die Musik dazu als das Fräsen und Schweißen der Bergungsmannschaft. Ein scharfes Bild der Zeit (und ein genialer Public Relations-Coup des Sex Pistols-Managers Malcolm McLaren, der den Punkenstein erschuf). Der versumpfte amerikanische Ideologie-Markenartikel Hippie ist abgemeldet und zum Inbild gescheiterter Subversion geworden. Beat und der Way of Life des Freaks zerflattern wie Konfetti in einem Maskenball aufgesetzter Lebensgefühle (Got the blues, babe …, Om Mani Padme Hum …, Du, dein Nagual ist nicht in Ordnung …). Aus Achtundsechzig ist Achtungsetzdich geworden. Nun sind neue Ansätze auszumachen, schrill, wüst, heftig.
Die Kritik, die Punk schuf und im Innersten zusammenhielt, war zunächst ein lange unterdrücktes und aufs ärgerlichste sublimiertes Verlangen nach Klasse, Stil und Schneid (bei den Linken als faschistoid verschrien: wenn einer zu gut aussieht). Blitzschnell, laut und hart. Hier bin ich, bis dahin reiche ich. Hier habt ihr mein Bewußtsein. Kommt unter der behaglichen Schmusedecke der Subkultur hervorgekrochen und stellt euch der Kälte, die euch umgibt … (Diedrich Diederichsen). *1)
Was im Noveau Roman der fünfziger Jahre in der Prosa erprobt worden war, ist nun Live-Ereignis: No More Heroes. Der Tod des Stars. Einen Augenblick später allerdings haben sich die neuen Helden schon wieder durch die Hintertür eingeschlichen. Von den ansetzenden Veränderungen bleibt vieles auf amputierte Stummel wie ›No Future‹ beschränkt, deren Verschleiß in den Massenmedien auch alsbald die Anfänge hinwegverdumpft: Und das Schlimmste: die Punkbasis richtete sich danach. Ende 79 schrieb Bild: »Die Punker – dumpfer Haß auf alles.« Ein Jahr später traf diese Behauptung auf die, die aussahen wie Punks, tatsächlich zu. (Diederichsen) *2).
1980 erscheint eine erste Sammlung englischer Punk-Songtexte mit deutschen Übersetzungen, I Hate The Universe, herausgegeben von Sylvia James *3), darunter Killing An Arab von Cure, eine Aufarbeitung von Albert Camus‘ Der Fremde. Camus, so scheint es, liegt mit seinen Sätzen von der zärtlichen Gleichgültigkeit der Welt hochaktuell in den jungen achtziger Jahren.
2. UFER IN DER WÜSTE
Komm und lehre mein Lied jugendlich heiter sein.
Klopstock · Ode an den Züricher See
Zu den Hauptausfuhrgütern von Graz gehören hochwertige Schriftsteller. Wirkungsvollster Exportanreiz ist die Grazer Autorenversammlung, zu deren jährlichen Litertursymposien sich die feuilletonangebende deutschsprachige Gegenwartsliteratur einfindet. Die Literatur, die im Versammlungsblatt manuskripte *4) (und nicht nur dort) das Wort hat, erscheint zunehmend als eine ausgewogene Mischung von vorgezogenem Altersschwachsinn – die für Weisheit genommen wird –, angestrengter Humorlosigkeit und versponnen in sich kreisenden Sprachbespiegelungen.
Solcherart Texte tragen dazu bei, daß vor allem bei den Jungen ein Unbehagen vor Literatur ansteigt und die ›anspruchsvollen‹ Gattungen in den Ruch gekommen sind, Synonym für eine Art Metakrimi zu sein, wobei man sich auf die Jagd nach dem Mörder der Verständlichkeit begibt, der sich oft genug als der Autor selbst entpuppt. Der Neue Deutsche Welle-Filmer Muscha (Humanes Töten, Decoder) spricht von Angst vor der Literatur beim Drehbuchschreiben und arbeitet gegen steife und lineare Textabläufe zum Beispiel mit Dub-Techniken, die aus der Reggae-Musik übernommen sind. Die meisten deutschen Autoren schreiben inhaltsschwanger, holzig und überladen. (Muscha).
Ich lese Gedichte von Patti Smith, Der siebente Himmel. Sie stehen wie geflüsterte Schreie ohne Musik auf dem Papier, und nur manchmal klingt es laut auf, … es gibt niemanden, es ist sinnlos, weiter zu suchen, du bist es, du bist es ... Dann kommt mir ein Roman des Österreichers Peter Rosei in die Hände, der, weitab von aller Wellen-Gischt, mit einer einfachen und großartigen Fabel in die Versuche zu einer neuen Haltung trifft, die inzwischen von vielen unternommen werden: Von Hier nach Dort. *5) In einer auf den ersten Blick romantisch und unerschütterlich strahlenden Schönheit der Betrachtungen fahren die Sätze bescheiden hin (Ich versuchte zu fliegen, und es gelang), zwischen denen wie eine Zündschnur eine atemberaubende Heillosigkeit hervorglimmt.
Der offene Protest hat sich in den letzten Jahren viel zu oft als unerfülltes Kindergeschrei nach Spielzeug von Papa Staat erwiesen oder sich selbst erstickt durch die Wiederholungen seiner Forderungen und Widersetzlichkeiten bis zum Überdruß und ist zum Sandsack geworden, an dem die konservativen Systeme ihr Sparring abarbeiten, zu einer Nische geläufiger und genehmigter Rebellion.
Es ist nun schockierender und wirkungsreicher geworden, einverstanden zu sein. Zu dieser Strategie gehört, alle Entfremdung-Beton-Atomkraftistböse-Phraseologie umkippen zu lassen in einen virtuosen Blick für die Schönheit dieser Dinge, aus dem immer wieder durch einen Anhauch von schierem Frost oder eine laserscharfe Ironie ein Strahl Wahrheit angeschossen kommt.
Auch in den Gedichten des Hamburgers Kiev Stingl, Flacker in der Pfote *6), findet er sich: der Tonfall, der angeht. Umgangston, aber nicht umgänglich, nicht naturalistisch ›dem Volks aufs Maul geschaut‹, sondern eine schrille, alltägliche Künstlichkeit. Und rabiat, direkt. Pornonichts, und Gimmie some Volt, Mista Arbeiter. Auch Stingls Texte verlangen geradezu nach Musik. Sie lösen Bewegung aus; aber zu einem Buch kann man nicht tanzen. Wir wollen etwas, das losgeht, das auch fetzt, das reinhaut. Die Gegenwartsliteratur ist langweilig, kriege ich rundherum zu hören. Wenn ich im Ratinger Hof, der Düsseldorfer Neue Deutsche Welle-Brutstätte, schreie: »Literatur!«, rennen mehr Leute weg, als wenn ich »Polizei!« schreie. Vielen Jungen erscheint das Erlebnis Literatur heute als ›falsche Bewegung‹, und die zum Lesen erforderliche Beruhigung und monologische Gefaßtheit hat den Beigeschmack freiwilliger Lahmarschigkeit.
3. UNTERWANDERVÖGEL
wo ist die grenze wie weit kannst du gehn verschweige die wahrheit du willst sie nicht sehn richtig ist nur was du erzählst benutze einzig was dir gefälltFehlfarben · Gottseidank nicht in England
Nach einem Jahr Fließbandarbeit in der Verpackungsindustrie – hart genug – und als ich dann noch Wolfgang Bauer (Ein Schriftsteller, dem nichts mehr einfällt, kann immer noch über einen Schriftsteller schreiben, dem nichts mehr einfällt) nicht nur auf Sauftouren in der Grazer Innenstadt, sondern auch täglich am Briefkasten begegne, da meine Freundin im selben Haus wohnt, emigriere ich im Frühjahr 1980 nach Düsseldorf. Dort mache ich sofort die Entdeckung, mitten in der Neuen Deutschen Welle zu wohnen. Begrifsnahe behaust in einem feuchten Keller, zusammen mit Xao Seffcheque alias Maos Scheckheft alias Chefsepp (auch ein Grazer), der sich inzwischen als neugewellter Musikjournalist und Musiker in der Szene breitgemacht hat.
Im Gefolge der Punk-Turbulenzen hat sich bei einigen jungen Musikern eine Idee festgesetzt: Wir machen unsere eigenen Sachen. Gegen die angelsächsische Musik- und Kulturinvasion der letzten Jahrzehnte, gegen den Rock’n’Roll-Imperialismus sucht ein Widerstand im Einheimischen anzuwurzeln. Es wird an Bruchstellen deutscher und europäischer Kultur neu angesetzt, etwa beim deutschen Schlager der fünfziger und sechziger Jahre, oder beim Dadaismus. Nachdem Udo Lindenberg zum Schlagzeilenvorbeter abgesoffen ist und Nina Hagen ihren Operettenpunk vorgeführt hat, versuchen sich nun neue Gruppen an einer eigenständigen deutschen Popmusik.
Äußerlich manifestiert sich das unter anderem in einer Art Nierentisch-Revival. Der auch weltanschaulich nach allen Seiten hin wollweich wallende Hippie wird diametral umgedreht in einen entschieden konturierten Kurzhaarigen in adretter Kleidung plus Schlips respektive Stöckelschuhe und pragmatisches Auftreten ohne Blumenkindlichkeit, ein Mensch, mit dem man Geschäfte machen kann. Es wird witzig. In lebenden Bildern wird der Kulturhunger der Nachkriegszeit simuliert, für einen zweiten Anlauf, diesmal ohne die amerikanische Kulturwalze. Es ist zu spät für die alten bewegungen, was heute zählt ist sauberkeit, ihr kommt nicht mit bei unsren ändrungen … (Fehlfarben, Abenteuer und Freiheit).
du siehst dich so wie du willst / du hörst nur noch auf neue namen / wir tanzen bis zum ende / zum herzschlag der besten musik / jeden abend jeden tag / wir dachten schon das wär ein sieg (Fehlfarben · Das war vor Jahren · 1980)
4. DAS WORT HAT DIE MUSIK
Wie frischatmend, schonheitglänzend ringt die Schöpfung sich aus dem Chaos mir entgegen. Büchner · Leonce und LenaDie Musiker, die nun täglich durch unser unterirdisches Wohnzimmer rennen, gehen mir auf die Nerven. Sie setzen ihre Ideen unmittelbar, zügig und schnell um, mit einer Intensität, die kaum Gefahr läuft, oberflächlich zu sein. Ich bin neidisch. Während ich Portionen meiner umwälzenden episodischen Prosa bebrüte, haben die Musiker schon wieder sieben Platten aufgenommen, abgemischt und pressen lassen. Mir kommt der Literaturbetrieb vor wie eine Vereinigung für kulturelle Zeitlupe, und nicht nur mir: … und tippe hier für ein neues Welle-Produkt, für den noch spärlich damit ausgerüsteten Buchmarkt, der ja sowieso immer hinterherhinkt. Die heutigen Poeten versuchen krampfhaft, die alten Fürze nachzumachen, von revolutionären Veränderungen wird geträumt, geschrieben, geredet, bis sich herausstellt, daß es wohl doch schon zu spät dafür ist. (Klaus Maeck) *7)
Gegenüber vielen, was Musiker nun texten, erscheint das meiste an mit poetischen Verfahren gewonnener Gemessenheit, alle profunde Schwebe und Widersprüchen, alle subtile und detailscharfe Wesensdurchdringung und sehnsuchtsbestärkende Zukunftsmächtigkeit oder kritisch gewichtete Enthüllung als Euphemismus und Erektion wohlgestalteter Unerfülltheit. Es scheint, als schlüge die Literatur sich mit ihrer eigenen Gesetztheit k.o. Auch Jürgen Kramer – in dessen Die Achtziger Jahre-Jahrbüchern sich unter anderem ein neues Herangehen an den durch Faschismusverdächtigkeit lang tabuisierten Bereich germanischer Zeichen und Mythen, oder etwa eine 22seitige Textcollage aus Welle-Neuigkeiten & Informationen (bagatelles nouvelle) finden – sieht ein Ende des Bittgangs zum Ausdruck. Immerhin schreibt er das noch.
Rolf Dieter Brinkmanns Satz von der deutschen Sprache, in der man nur denken, nicht singen könne, erweist sich als falsch: zentrum der zivilisation / leben leben um uns herum / und mittendrin ein stück land abgesteckt / oder ne fabrik in die keiner seine nase steckt / verbrannte erde schüsse in der nacht / bombenteppich u- boot jagd / ernstfall / es ist schon längst so weit / normalzustand seit langer zeit. (Fehlfarben, Ernstfall). Auch Ralf-Rainer Rygulla, der gemeinsam mit Brinkmann Ende der sechziger Jahre die Anthologie Acid herausgegeben hat, versucht sich mit seiner Lyrik – in einem Projekt mit dem Gitarristen Heinz Felber – in der Musik: Du bist so souverän / und ich bin so geil … (Molto Stuhl, Souverän)
Ohne erst groß eine Verschalung aus literarischen Ansprüchen zu zimmern, werden schnelle, zielsichere Würfe gelandet. Oft scheppert die Musik fröhlich wie ein defektes Achslager, und ein Sänger wie Peter Hein bringt es zuwege, sogar ein Wort wie Lieblingsfernsehonkel mitreißend zu singen. Rousseau, der alte Hippie, wird auf den Kopf gestellt (Zurück zum Beton / Zurück zum Beton / Zurück zur U-Bahn / Zurück zum Beton; Harry Rag, S.Y.P.H.), Beethoven aktualisiert (elli ich bin munter / hol mir bitte einen runter / für dich elli …; Trini Trimpop, KFC). Bissige und hellsichtige Vision wird ohne Reibungsverluste verbunden mit Unterhaltungswert (kebabträume in der mauerstadt / türk-kültür hinter stacheldraht / neu izmir in der ddr / atatürk der neue herr / milyet für die sowjetunion / in jeder imbißstube ein spion / im zk ein agent aus türkei / deutschland deutschland alles ist vorbei / wir sind die türken von morgen, Mittagspause/DAF, Militürk; 1978). Man entzieht sich erdrückender Ernsthaftigkeit, ohne unverbindlich zu werden (ich bin deutschland-fan wer kann das nicht verstehn / der muß selbst einmal in deutschland sich umsehn / und lädt man ihn hinter die kulissen ein / dann stellt er fest / im deutschen land ists fein / die tauben sind fett in moabit / und in stammheim / und in tegel …, padeluun, deutschland, deutschland).
Wesentlicher Treibstoff für die schnittige, schwungvolle Federführung ist die Musik. Sie spannt sich zwischen drastisch schlichtem Schlagzeug / Baß / Gitarren-Föhn und dem Automatic-Sound von Synthesizern und Sequencern in einer neuen Perspektiven schräg und deutlich. Literarische Versuche wie Max Benses Computertexte oder Jazz-und-Lyrik-Quälereien erscheinene dagegen wie frühchristliches Entertainment.
Was die Musiker da jetzt machen, wird zur forcierten Literaturkritik und ein unbehagliches Mangelgefühl verstärkt sich. Klar, auf Musik wird immer unmittelbarer reagiert als auf Sprache, und auch wird im Musikgeschäft zügiger gearbeitet und umgeschlagen als im Buchhandel, keine Kommission, keine Remittenden, Lieferung gegen Cash.
Grassierender Ziellosigkeit bei den Jungen wird Ausdruck verliehen und schafft im musikalischen Kontext immerhin den Sprung in Vergnügen oder Angriffslust. Langeweile langeweile auf dieser Welt / langeweile langeweile die gefällt … (Stuhlgang, Langeweile). Schon die Gruppennamen lesen sich wie ein Gedicht: Mythen in Tüten / Einstürzende Neubauten (scherzhaft: Einschläfernde Neugeburten) / Nichts / Rex Dildo / Rotzkotz / Aus lauter Liebe / Nachdenkliche Wehrpflichtige / Tote Sprachen / Radierer / Männer in nassen Kleidern / Ede und die Zimmermänner (nach einer beliebten Fernsehserie) / Facharbeiter 08 / Stromsperre / Müttergenesungswerk / Haß / Übergangslösung / Schwule Schweden / Achmed und die Arschkriecher / krank xerox / Schulsport / Abwärts / Die Hausfrauen / Wirtschaftswunder / Die Partei / mekanik destrüktiw komandöh / usf.
Die Texte entstehen nicht im mentalen Startloch dichterischen Formwillens vor der Schreibmaschine, ohne schriftstellerischen Habitus oder höchstens, um den zu verarschen. Nach einem Punkkonzert im Februar ’78 sitzen Franz Bielmeier, Peter Stiefermann und Peter Hein bei Heins Mutter und Bratkartoffeln mit Speck. Stiefermann eröffnet: Jetzt werden wir kreativ. Der Fernseher wird eingeschaltet: Testbild. Ein inzwischen legendäres Lied von Mittagspause nimmt seinen Anfang: montag morgens um halb zehn / habe ich das testbild gesehn / dienstags morgens um halb zehn / mußte ich das testbild sehn / mittwochs …
Zu den Vorgangsweisen gehört auch, belastete Bedeutungen in neuem Umfeld zu entmachten und dadurch gleichzeitig die klappernde Mechanik eingefahrener Kritik- und Unterhaltungsweisen bloßzulegen. Zu einem nahezu vollautomatisch scheppernden Rhythmusskelett tönt der sarkastische Imperativ der Freizeitgesellschaft: und gehe in die knie / und tanz den jesus christus / bewege deinen arm / und tanz den mussolini / und tanz den adolf hitler / bewege deine hüften … (DAF, Der Mussolini).
Ebenso geben sich die jungen Frauen nicht mehr damit zufrieden, lila Faustwölkchen auszustoßen. Sexueller Notstand / was dir bleibt ist deine Hand / drum nimm dir ein paar Pornos / und pinn sie an die Wand … (Östro 430, Sexueller Notstand). Ohne umständliche Häutungen findet sich weibliche Sprache: Mädels sind toll / Sie sind stärker als ich und schöner als du / Sie schwimmen und stolpern und sie lieben Grau und Rot / … / Im Sommer gehn sie in die Badeanstalt / Sie haben nasse Haare und sehen gut aus … (Malaria, Grau und Rot).
Man könnte noch Anmerkungen machen zu einer neuen Grammatik des Widerstandes, die sich in vielen der Texte abzeichnet. Sie hat viel zu tun mit dem blitzlichtenden und widerhakenschlauen Charakter von Slogans und ›Rabiatements‹. Aber ich will den Germanisten nicht den Eisschrank ausräumen. Wenn ich Hundert Mann und ein Befehl in der Fassung von ZK höre – klingt wie Freddy Quinn mit Außenbordmotor – oder Palais Schaumburg, Ich glaub ich bin ein Telefon / romantisches kleines Telefon / Ich glaub ich bin ein Blumenhalter / romantischer kleiner Blumenhalter … (Holger Hiller, Telefon), dann kommt ganz anderes auf als Bedarf nach Wissenschaftlichkeit.
Ich komme Ende 1980 zu dem Schluß: Die Musiker sind die besseren Dichter geworden. Das Buch des Jahres ist eine LP: Monarchie und Alltag von Fehlfarben. *8) Allerdings ist auch vieles, was im Aufschwung der Welle getextet wird, von alten Fehlern okkupiert. Nachdem der nörgelnde Protestsong (dieser ist in der Neuen Welle durch das redundante Gejammer über zuviel Neonlicht, Neubausiedlung, Computerüberwachung, kalte Großstädte, Weltuntergang und andere von Stern und Tip aufbereitete Themen ersetzt worden), … von immer mehr Leuten als sozialdemokratische Parlamentsrede erkannt wurde, breitete sich eine neue Haltung aus, die durch Affirmation provozierte, meistens aber verwirrte: die Haltung des alien *9), der eine Welt vorfindet und positiv in der Sprache ihrer eigenen Rechtfertigung beschreibt. (Diederichsen).
5. KILLT XEROX DEN ZEITSCHRIFTENSTAR?
Professor Grzimek warnt: »Laßt die Hippies leben!« Wie er engagieren sich viele prominente Künstler für das Verbot der Hippie-Vernichtung. Unter ihnen Sexsymbol Brigitte Bardot: »Wenn wir den Frauen klarmachen, daß sie auf Hippiemäntel verzichten, können wir die letzten lebenden Exemplare noch retten!«
Jerry Cotton alias Tommi Stumpf im Düsseldorfer Fanzine Schmier, 1980
Ein weiteres Buch des Jahres erscheint, eine Anthologie zur Lage, Amok / Koma, mit über vierzig Beiträgen unter anderem von Daniel Dubbe, Kiev Stingl, Minus Delta t, auch durch visuelle Beiträge und das aufwendige Layout, die Gasolin 23-Mannschaft, Herausgeber sind Pociao / Hartmann / Ploog. Immer noch sind Bemerkenswertes und Volltreffer rar, aber mutig versucht, dort, wo mein besonderes Interesse liegt: in der Prosa, in der Story. Wo ist das zwingend und gänzlich Packende?, aber ich will mein Ideal in Erreichbares demontieren: in Amok / Koma finden sich Texte, deren Autoren sich befreit haben aus der ästhetischen Glätte marktgängiger Schreibweisen in Stromlinie zur neuesten ›…keit‹.
Ich überlege weiterhin, wie es zu vermeiden ist, als Schriftsteller kein Rockstar werden zu müssen. Nach Deutschland bin ich gekommen, um hier ein Buch machen zu können und für das Schreiben auch bezahlt zu werden (in Österreich nahezu unmöglich). Ergebnis: Sänger auf einer Platte unseres Medien- Subversionsverbundes O.R.a.V. (Ohne Rücksicht auf Verluste), Herausgeber einer Sammlung deutscher Liedertexte (Das Wort hat die Musik, in: Guter Abzug) und der vergebliche Versuch, den Markt mit einer literarischen Zeitschrift (Deutscher Realitätsdienst) zu erweitern.
Daß aus dem Realitätsdienst nichts wird, liegt daran, daß ich nicht schnell genug begreife, was die Fanzine-Macher längst begriffen haben: Nachrichten und Ideen, die unter den Nägeln brennen, sofort und nach Maßgabe vorhandener Mittel zu verbreiten. Mittel sind kaum vorhanden, dafür die Ideen für die Fanzines wild und blendend. Eine widerborstige und fetzige Gegenschönheit aus Schlagzeilenmontagen und Illuistriertenschnipselcollagen wird ohne Kunstanspruch hingeknallt, darauf kreuz und quer wimmelvolle Schreibmaschinenfahnen geklebt mit gnadenlosen und frei Schnauze verhunzten Formen journalistischer und schriftstellerischer Äußerungen. Einige Fanzine-Titel, ein zweites Gedicht: ungewollt / Alles Tot / Tiefschlag / Ramsch / Langweil / Schmier / Arschtritt / Blödsinn / Abschaum / Sonderangebot / No Fun / Überlebenstraining / Liebesbrief nach DIN / Der Zlof / Preiserhöhung / Willkürakt (einmal in Plastiktüte unter Wasser eingeschweißt, ein anderes Mal mit beiliegendem Pappteller und Styroporspaghetti) / Bauernblatt / (mit den berüchtigten Whistler-Montagen) / Real Schock / Keine Gnade / Y-Klmpfnst / usf.
Auch Exoten finden sich wie brauchbar / unbrauchbar von Klar!80/81 alias Rainer Rara Rabowski – der auch eines der ersten Kassettenlabel betreibt –, dessen erste Ausgabe im Tiefkühlbeutel, fast 100 Blätter mit Texten, Handarbeiten und Materialien sich jeder, auch anthologischer Zuordnung entzieht.
Und die Fanzines – und später auch Musikzeitschriften wie „Sounds“, die deren wesentliche Strukturen übernehmen – waren niemals, wie fälschlicherweise behauptet wird, ‚Informationen von Fans für Fans, sondern vielmehr – in der uninteressanten Variante – simulierter Rockjournalismus mit Konzertberichten … und meistens irgendwelchen fingierten Interviews mit ebendiesen Gruppen oder aber – in der interessanteren Variante – Simulation der Simulation und damit Metasimulation: Berichte über die sensationellen Auftritte fiktiver Gruppen, Abenteuer in der deutschen Provinz … (Joachim Stender, Tage an der Front der neuen Wellen, Sounds 4/82).
Auch der Rockjournalismus, der in dem Zusammenhang eine literarische Hochblüte erreicht, kann sich demgemäß nicht mehr ganz ernst nehmen und verkauft sich mit dem neuen Anreiz inszenierter Enttarnung seiner Funktionen. So veröffentlicht Sounds auf seiner intellektuellen Diskurs-Spielwiese, die bislang wildgewordenen Studenten dazu diente, Deckungsgleichheiten zwischen neuerer französischer Philosophie und Neuer Welle auszufrickeln, ein O.R.a.V.-Erzeugnis, ein bösartiges publizistisches Furzkissen unter dem Titel Das goldene Fies, in dem die gesamte Mitarbeiterschaft der Zeitschrift in als Plattenbesprechungen kaschierten Tratschkolumnen aufs intimste angeflegelt wird. In den Monaten darauf sind die Diskurs-Seiten verstummt. *10) Die Intellektuellen, die auch gern modern sein möchten, zerren an ihrem Überbaucaravan, aber er will nicht recht von der Stelle; und die Welle schwimmt davon.
Hollow Skai alias Holger Poscitsch, der in Hannover eines der ersten Fanzines, No Fun, herausgibt, jubelt, als Germanistikstudent getarnt, der Hannoveraner Uni eine kuriose Magisterarbeit unter: Punk – Versuch der künstlerischen Realisierung einer neuen Lebenshaltung *11), als Fanzine gelayoutet und starrend vor Wissenschaftlichkeit, die sich durch das Thema permanent selbst auf den Arm nimmt.
Ab 1981 finden sich die Gestaltungsmerkmale der Fanzines immer häufiger in der professionellen Jugendlichkeit der Musikindustrie-Anzeigen gekupfert, und ein Jahr später sterben vor allem die großstädtischen Fanzines langsam aus. Meine Sympathisanteneuphorie, daß die Fanzines es dem literarischen Untergrund schon zeigen würden, legt sich wieder. „Gewöhnen wir uns endlich an, die Epochen immer kürzer anzusetzen. (Diederichsen) Zusammen mit Paul Ott bereitet Hollow Skai derzeit für Rowohlt eine Anthologie aus deutschsprachigen Fanzines (Wir waren Helden für einen Tag) in Gestalt eines der Medien vor, aus deren Unzulänglichkeit sie ursprünglich entstanden sind: ein Buch.
6. EINIGE LOGBUCHEINTRAGUNGEN
Als das Fest zu Ende ging, schienen alle zufrieden, nur einer, der die ganze Zeit still in einer Ecke gesessen hatte, schrie jetzt laut nach einer Orgie.
Gottfried Distl, Der unangetastete Kern
Um den Kurs der Neuen Deutschen Welle durch die letzten Jahre besser verfolgen zu können, ein paar Eckdaten: Wie Michael O.R. Kröher präzise recherchiert hat, wurde die Neue Deutsche Welle am 27. September 1979 als eine Erfindung von Alfred Hilsberg geboren (Transatlantik 7/82). Hilsberg nimmt in seiner Artikelserie Aus grauer Städte Mauern – die neue deutsche Welle zum ersten Mal öffentliche Notiz von den Inland-nahmen junger Musiker. Da alsobald Trittbrettfahrer und allerlei Dubioses hinzuströmt und der Schirmbegriff – wie jedes Etikett für eine ›Bewegung‹ – rasch inflationiert wird und seine Bedeutungskontur verliert, wird die Erlebnisqualität Neue Deutsche Welle von den ursprünglichen Aktivisten im Laufe des Jahres 1980 wieder abgewiesen und der Begriff zugeklappt.
Inzwischen zum Sesam-öffne-Dich für die Brieftaschen der Unterhaltungskonsumenten verkommen, wird die Signatur Neue Deutsche Welle nun vom Marketing der multinationalen Unterhaltungsindustrie in der BRD als Rabattpflaster für die Umsatzsteigerung ’82/’83 auf alles geklebt, was einen Ton an zwei Griffen festhalten und ein deutsches Wort ausstoßen kann. Die Fusion zwischen zeitgeistloser Rockmusik, die inzwischen ein kulturelles Nachtwächterdasein als universelle Berieselungsmusik führt, und den Hymnen an den Schwachsinn in den gefürchteten Ausgeburten deutschen Schlagers ist vollzogen. Aktuelle Ansage: Dieter Thomas Heck in der ZDF-Hitparade Ende Juni: Nicht gegen, nein, für die Neue Deutsche Welle: Rex Gildo! Neue Welle, alter Strand.
Im Herbst 1981 wird mit einer schillernden Herde von Co-Autoren aus dem Dunstkreis der Wellen-Pioniere der Versuch unternommen, den Flohzirkus der Zeitströmungen in einem filmischen Ideenbogen einzufangen und als erster einer geplanten Fernsehfilmreihe des NDR (Jetzt kommt die Flut) Lastwagenkrieg gedreht, wenig später in Berlin Punker und Polizisten von Anette Humpe (Ideal). Anfang 1982 wird die Neue Deutsche Welle zur Guten Alten Welle und historisch, indem sie sich dokumentiert: Mit Guter Abzug erscheint eine umfassende Sammlung von Fotos, Texten, Fanzineauszügen und einer Flexidisc (Punk on 45).
Zwischen denen, die weiterhin in redlicher Rebellion damit befaßt sind, das herrschende ›Falsche‹ zu unterwandern, ist neuerlich das namenlose agreement ausgespannt, durch das man sich über die gemeinsame Richtung verständigt, in die all die unüberschaubar vielen Einzel- und Gruppentätigkeiten zielen. Unbekümmert kann man den nächsten Journalisten abwarten, der des Königs neue Kleider ortet, oder man macht es selbst: Das Spiel in und mit den Medien erfreut sich zunehmender Beliebtheit. M.O.R. Kröher hat schon das Neue Deutsche Dingsbums erfaßt; weitere Vorschläge für die Trend-Muezzins auf der Buchmesse: die Neue Deutsche Deutschigkeit, oder einfach: die Neue Deutsche Wanderdüne, ein sauber abgestimmtes Bild einerseits für das Aktionstempo von Poesie, die derzeit durch die Bleiwüsten zieht und für die Sehnsucht nach einer Schnittigkeit, und andererseits freundliche Einkaufshilfe als richtungweisend und sozusagen Preisschild der Weltanschauung.
Endlich komme ich nun dazu, ein Buch zu machen. Der deutsche Realitätsdienst hat immer noch 1 Stück Auflage und beinhaltet unveröffentlichte Literatur zum Thema, unter anderem eine Erzählung Kerstin Eitnersd aus dem ehemaligen Hamburger Welle- Hauptquartier (Die Marktstube), oder Gregor Potts Taschenfilmtext Land des Hechelns.
Was meine Identität als Schriftsteller angeht, halte ich mich inzwischen an die Warnschilder in der Straßenbahn: bitte denken Sie an die Möglichkeit einer Notbremsung, benutzen Sie daher die Haltegriffe. Trotzdem bin ich besessen von der Idee, Mein eigenes in der Poesie zu finden. Seine Ruhe sollte Manneskraft sein, und seine Einfachheit ein Gegensatz zu der Gespreiztheit und zu dem Verfalle, dem unsere Dichtkunst zugeht. (Adalbert Stifter) Wer heute noch starke Lyrik machen will, möchte sich doch zuvor eine der Scheiben aus dem hier behandelten Zeitraum auflegen und sich anschließend eine abschneiden.
Auch was die Prosa betrift: Heute kann es nicht mehr darum gehen, die Große Neuerung auf den Tisch zu knallen. Das Originale ist vorbei, enteignet von Wanderdüne-Autoren, die erkannt haben, daß das rapide forcierte Match mit den verschiedensten verfügbaren Stil-Codes (›Hirnlego‹) einer der Zielpunkte aktueller Vollendung ist, da damit auch der eitle Konkurrenzkampf um die eigenste Eigenart uninterressant wird. Der notwendige Slalom zwischen feigem Plagiat, abstrakter Schwammigkeit, akutem Trübsinn und vorgefaßten Strukturen erfordert ein Können, das sich in den erwähnten Texten und einigem unveröffentlichten Material, das ich in den letzten Monaten lesen konnte (Hansjürgen Bulkowski, Niklas Stiller, Kai Metzger, Hubert Winkels), in den deutlichsten Formen abzeichnet. versteht sich, daß auch die Neue Deutsche Wanderdüne ein Hilfskonstrukt ist, ein Merkmalsfeld zu entwerfen, in dem die Verläufe derzeitiger Literatur skizziert werden können, und sich in Wahrheit in dem alten monarchistischen Traum gefällt, sich über einen Titel einer Masse zu bemächtigen.
Ein weiteres Mal: Es rumort, und der Grund, weshalb ich noch nicht alles hingeschmissen habe, um einen Beruf zu ergreifen, für den es auch Lehrer gibt: Das sichere Gefühl, daß doch noch was geht in der Literatur und daß die Wanderdüne-Mittel, auf poetischem Weg zu erschüttern, jemandem dazu verhelfen können, gerade angesichts eines eingeschalteten Fernsehers nach aller schwülstigen Kerzenlichtromantik im kühlen blauen Licht ein Bild von menschlicher Größe zu kriegen. Immer auf der Höhe der Zeit, sitze ich inzwischen auch was das Wohnen angeht auf dem Trockenen, und diesmal rennen hauptsächlich Schriftsteller durchs Wohnzimmer. Ein Sandsturm ist nicht auszumachen, aber eine Übereinkunft in den Entwürfen einer Literatur, zu deren technischen Daten ein geschwindes, Lakonisches, eine glasscharfe Ironie und eine strotzende Ruhe gehören und das Motiv einer geradezu sexuellen Wirksamkeit. Wie auch genügend Wendigkeit und Klarsicht sich auch nicht unter den Glasglocken der ›Kunst‹ oder der inzwischen eingerichteten Nische für Verweigerer, Protestler und Andersdenkende entschärfen zu lassen. Selbstverständlich gilt das nur hypothetisch für die Neue Deutsche Wanderdüne.
Daß alles immer da ist, wo es der Gegner … nicht vermutet, bleibt auch die wesentliche Botschaft für alle, die sich um Ausdruck bemühen. (Diederichsen)
Fußnoten:
1) Manifest Nr. 1, aus Staccato – Musik und Leben, Hersg. Diedrich Diederichsen und Kid P., Kübler Verlag, Heidelberg 1982.
2) Scheitern II, ebd.
3) Edition Seele, Berlin 1980; Litanic D/K, Gelsenkirchen.
4) Zeitschrift für Literatur und Kunst, Hrsg. Dr. Alfred Kolleritsch und Manfred Mixner, Forum Stadtpark Graz.
5) Residenz Verlag, Salzburg 1978.
6) Verlag Pohl’n’Maier.
7) Wir bringen euch Unglück, aus Staccato. Maeck betrieb in Hamburg den Rip Off-Vertrieb.
8 ) Die Platte wird bei EMI Deutschland veröffentlicht und die Fehlfarben erst als Verräter an der Neuen Deutschen Welle beschimpft. Hausaufgabe: Vergleiche diese Entwicklung mit den Entwicklungen im Bereich ›unabhängiger‹ literarischer Produktionen.
9) Die traditionelle, auffällige Unruhe … muß ergänzt werden durch ein Konzept, wie es etwa Genesis P. Orridge von Throbbing Gristle »alien culture« nennt. Ein Unterwandern, Einsickern ins Normale, Alltägliche, das nichts mit einem blauäugigen Marsch durch die Institutionen gemein hätte. Die Maske der Normalität, von einem avancierten, wissenden Kopf getragen, nicht um sich zu verstecken, sondern um »mittendrin zu stecken«, ist die verwirrendste Taktik der Okkupation offizieller Meinungsinstanzen. Auf Kunst angewendet, heißt das: nicht nur Nutzung der von der Jugendkultur als Verständigung entwickelten Ästhetik (mit all ihren Leistungen und Irrungen, die man stets auseinanderhalten muß), sondern Virtuosität in durch keinerlei Anspruch exponierten normalen Formen. Die Abwesenheit von sozialen / weltanschaulichen Identifizierungsmerkmalen (Kleidung/Haarschnitt) stellt eine brüskierende Leere für den auf solche Zeichen angewiesenen Großstadtmenschen dar und erschüttert den eindimensionalen Hippie ebenso wie den Mehrheitsbürger. (Unerkannt bleiben, aus Staccato)
10) Der wahre Grund: Diederichsen hat sich als Chefredakteur einfach eine Weile nicht um Diskurse gekümmert, respektive es kam nichts Gescheites.
11) Sounds-Verlag, Hamburg 1980.
Redaktionelle Anmerkung: Erstveröffentlichung 1983